Münster gegen Würzburg. Nach rassistischen Beleidigungen gegen Leroy Kwadwo unterbrachen beide Teams vor etwas mehr als einem Jahr das Spiel. Auch heute noch weiß der Verteidiger von Dynamo Dresden, wie wichtig das war. Anlässlich unserer Themenwoche "Fußball gegen Rassismus" blicken wir zurück auf den 14. Februar 2020.
Es war eine Situation, die bis heute wohl einmalig in den deutschen Stadien war. Moderator Jochen Breyer nannte es einen Tag später im aktuellen Sportstudio eine "Besonderheit im negativen, aber eben auch im positiven Sinne". Vor etwas mehr als einem Jahr standen sich in der 3. Liga mit Preußen Münster und den Würzburger Kickers zwei Mannschaften zum Freitagabend-Duell gegenüber. Tore fielen nicht, auch sonst hatte die Partie fußballerisch nicht allzu viel zu bieten und dennoch wird sie allen Beteiligten lange in Erinnerung bleiben.
Kurz vor dem Spielende bekamen die Kickers einen Einwurf zugesprochen, Verteidiger Leroy Kwadwo nahm sich den Ball und wollte schnell einen möglicherweise spielentscheidenden Angriff einleiten. Statt einzuwerfen, blieb der damals 23-Jährige allerdings stehen und verweigerte das Weiterspielen. Kwadwo hatte von der Tribüne rassistische Rufe gehört. "Ich kann mich noch sehr gut an das Spiel und die Situation erinnern. Ich wollte eigentlich nur den Ball holen und einwerfen und plötzlich höre ich diese Affenlaute aus dem Publikum. Sofort war damals für mich klar, dass ich nicht mehr weiterspielen möchte und habe das der Schiedsrichterin gesagt. Ich wollte unbedingt ein Zeichen setzen", erinnert sich der Ex-Würzburger.
Wichtige Reaktion der Fans
"Es ist wie bei einem Kind: Man muss immer wieder betonen, wie wichtig der Kampf gegen Rassismus ist"
"Der Spieler kam aufgebracht zu mir und hat mich über Affengeräusche informiert. Kurz darauf habe ich diese auch wahrgenommen. Mir war es wichtig, den Spieler zu beruhigen und mit ihm in Ruhe zu sprechen. Daraufhin bin ich zum Trainer, Herrn Hildmann, um die Stadiondurchsage zu veranlassen. Hier wurde von Vereinsseite sehr professionell und schnell reagiert. Auch die Reaktion der Zuschauer mit 'Nazis raus-Rufen' war wirklich super", erzählte Schiedsrichterin Katrin Rafalski nach der Partie.
Die Reaktion der Zuschauer*innen im Stadion begeistern Leroy Kwadwo bis heute. "Es war natürlich ein sehr emotionaler und aufwühlender Moment für mich. Ich hatte so etwas vorher glücklicherweise noch nie erlebt und brauchte deswegen auch einige Tage, um das alles zu verarbeiten. Aber ich sage bis heute, dass es genau das Richtige war und ich es jedes Mal wieder so machen würde", ist sich Kwadwo sicher.
In der Folge gab es national und international großen Zuspruch für die Reaktionen von Leroy Kwadwo, aber auch für die Fans des damaligen Drittligisten. Spieler-Kolleg*innen und ganze Vereine wie der FC St. Pauli oder eben Preußen Münster solidarisierten sich mit dem Würzburger. Am kommenden Spieltag trugen sogar alle Drittligisten T-Shirts mit der Aufschrift "Einer von uns" und "Rote Karte dem Rassismus". Die Münsteraner wurden vom Fußball- und Leichtathletikverband Westfalen dazu mit dem neu geschaffenen "Preis für Zivilcourage" geehrt. Das klare Zeichen gegen Rassismus sowie die bewiesene Menschlichkeit begründeten laut FLVW-Präsident Gundolf Walaschewski diese Auszeichnung.
Höhere Aufmerksamkeit durch die Medien
Sondertrikots der 3. Liga: "Rote Karte dem Rassismus"...
[Foto: imago images/Jan Huebner]
...und "Einer von uns": Solidarität mit Leroy Kwadwo.
[Foto: imago images/Revierfoto]
Kwadwo spielt inzwischen für Dresden: "Würde es jedes Mal wieder so machen."
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Generell sieht Kwadwo, der aktuell bei Dynamo Dresden unter Vertrag steht, in letzter Zeit eine durchaus positive Entwicklung rund um das Thema Rassismus. "Ich glaube schon, dass Rassismus gerade medial in letzter Zeit noch stärker behandelt wird. Das liegt aber natürlich auch daran, dass es viel präsenter wirkt. Das beste Beispiel waren vielleicht die Entwicklungen rund um das Champions League-Spiel zwischen Paris und Istanbul. So ein Verhalten sollte unbedingt als Vorbild dienen. Es darf längst nicht mehr nur ein Nebenthema sein", fordert der 24 Jahre alte Verteidiger.
Diese jüngsten Beispiele seien Grund genug, um das Thema Rassismus immer wieder ins Bewusstsein zu rufen, sagt Kwadwo. "Es ist eigentlich wie bei einem kleinen Kind. Man muss leider immer wieder betonen, wie wichtig der Kampf gegen Rassismus ist. Natürlich wäre es schön, wenn man solche Themenwochen gegen Rassismus gar nicht bräuchte und es für alle selbstverständlich wäre, aber noch ist es eben nicht so. Wenn es weiter passiert, dass Rassismus verharmlost wird, macht Fußball irgendwann keinen Spaß mehr."
Doch Fußball soll weiterhin allen Spaß bereiten. Er soll Symbol für Integration und Vielfalt sein. Daher positionierte sich auch der DFB nach den rassistischen Vorfällen in Münster klar. "Wir stehen zusammen gegen jeden, der unsere Werte angreift", sagte DFB-Präsident Fritz Keller. Der Zusammenhalt der Fans und Vereine nach diesem beschämenden Vorfall sei beeindruckend gewesen.
Drei-Stufen-Plan der UEFA
Auch der damalige DFB-Integrationsbeauftragte Cacau äußerte sich deutlich: "Ich erlebe es immer wieder, wie viel Positives im Fußball passiert - für Integration und Vielfalt, gegen Diskriminierung, Hass und Rassismus. Aber man müsste blind sein, um nicht zu erkennen, dass der Rassismus auch in den Stadien größer geworden ist. Wir alle müssen klar dagegen aufstehen."
Für einen angemessenen Umgang mit Vorfällen wie in Münster oder Istanbul hat die UEFA schon vor etwa zwei Jahren einen "Drei-Stufen-Plan" zur Stärkung von Schiedsrichter*innen" entwickelt. Beim Bemerken von rassistischen Äußerungen am Fußballplatz soll der oder die Schiedsrichter*in zunächst einmal das Spiel unterbrechen, dem*r vierten Offiziellen Bescheid geben und eine Lautsprecherdurchsage veranlassen.
Gehen die diskriminierenden Rufe weiter, so sollen die Teams für eine kurze Zeit in die Kabine gebeten werden, ehe es bei einem nicht stoppenden Verhalten der Zuschauer*innen in der dritten Stufe zu einem Spielabbruch kommen soll.