FSV-Coach Braune: "Sind längst nicht am Ende"

Beim Blick auf die Tabelle der Regionalliga Nordost reibt sich mancher Beobachter verwundert die Augen. Der Außenseiter FSV 63 Luckenwalde mischt die prominent besetzte Spielklasse auf. Mit 17 Punkten und 17:2 Toren aus sieben Spielen rangiert das Team des neuen Trainers Michael Braune auf Platz eins. Im FUSSBALL.DE-Interview spricht der 35 Jahre alte Fluggeräte-Mechaniker über den Aufschwung.

FUSSBALL.DE: Mal ehrlich: Wie sehr müssen Sie sich beim Blick auf die Tabelle kneifen, Herr Braune?

Michael Braune: Mir ist schon bewusst, dass wir auf Platz eins stehen. Aber deshalb schaue ich nicht permanent auf die Tabelle oder habe sie mir gar ausgeschnitten. (lacht)

Wie fühlt es sich an, nach sieben Spieltagen ganz oben zu stehen und viele ambitionierte Klubs hinter sich zu lassen?

"Wir sind ein eingeschworener Haufen"

Braune: Da muss ich eine berühmte Floskel bemühen: Es ist eine schöne Momentaufnahme, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Es fühlt sich auf jeden Fall besser an, als würden wird ganz unten im Tabellenkeller stehen. (lacht) Mein Handy steht seit Tagen nicht still. Jeder will wissen, was in Luckenwalde los und passiert ist.

Was ist denn passiert? Worauf führen Sie den guten Lauf zurück?

Braune: Die Mannschaft ist extrem fleißig, zieht gut mit und hängt sich bei jedem Training rein. Fußballerisch hatten wir immer schon gute Kicker in der Truppe. Während der Vorbereitung haben wir im Gegensatz zu früheren Jahren an jedem Tag trainiert, dadurch gegenüber der Konkurrenz auch läuferisch aufgeholt und keine konditionellen Defizite mehr. Die harte Arbeit in der Vorbereitung zahlt sich nun aus.

Ihr Team ist mit einem Durchschnittsalter von 26 Jahren eine der erfahrensten Mannschaften der Liga, ist beim Marktwert der Spieler auf dem drittletzten Platz aller Klubs im Nordosten angesiedelt. In der Tabelle steht jedoch Platz eins zu Buche. Wie erklären Sie sich diese Unterschiede?

Braune: Da kommen einige Faktoren zusammen. Unser Stammtorhüter André Thomas ist 39 Jahre jung, Mittelfeldspieler Daniel Becker ist mit 34 Jahren auch nicht mehr der Jüngste. Rechnet man diese beiden Spieler heraus, sieht die Altersstatistik schon ein wenig anders aus. Es stimmt aber schon, dass wir über eine erfahrene Mannschaft verfügen und dass wir einige Spieler, die über die zurückliegenden zehn Jahre im Team funktioniert haben, im Laufe der nächsten Spielzeiten ersetzen und den Kader so weiter verjüngen wollen. Deshalb wurden vor dieser Saison auch schon einige talentierte U 19-Spieler von Profiklubs verpflichtet. Aber momentan führt leistungsmäßig noch kein Weg an unseren "Oldies" vorbei. Zum Thema Marktwert möchte ich sagen: Wir liegen mit unserem Etat, der sich im unteren sechsstelligen Bereich bewegt, ziemlich am Ende der Liga. Umso mehr freut mich, was wir daraus bislang gemacht haben.

Mit nur zwei Gegentreffern und 17 erzielten Toren ist Ihr Team in beiden Bereichen absolute Spitze. Wie lautet Ihr Erfolgsgeheimnis?

Braune: Wir arbeiten intensiv gegen den Ball, haben in den vergangenen Partien oft nur Fernschüsse unserer Gegner zugelassen. Unser Abwehrverhalten fängt bereits im Angriff an, alle machen beim defensiven Umschaltspiel mit. Außerdem verteilt sich bei uns das Toreschießen auf mehrere Schultern. Schon zehn verschiedene Spieler waren erfolgreich. Ich hatte mich übrigens im Vorfeld der Saison ganz bewusst gegen die Verpflichtung eines erfahrenen Stürmers ausgesprochen. So wie es jetzt ist, sind wir für unsere Gegner viel schwerer auszurechnen, weil wir mindestens fünf bis sechs Spieler im Kader haben, die jederzeit für einen Treffer gut sind.

Während sich andere Teams regelmäßig mit prominenten Zugängen verstärken, steht beim FSV kein einziger Spieler mit Zweit- oder Drittliga-Erfahrung im Kader. Was sagt das über Luckenwalde aus?

Braune: Dass wir wenig Geld haben. (lacht) Wir verfolgen halt einen anderen Ansatz, wollen Fußball mit Schule, Arbeit und Studium verbinden. Ich möchte nicht mit Spielern zusammenarbeiten, die zum Ende ihrer Karriere noch einmal abkassieren wollen.

Was zeichnet Ihre Mannschaft ganz besonders aus?

Braune: Wir sind ein eingeschworener Haufen, haben beispielsweise mit Daniel Becker und Marcel Hadel Spieler im Kader, die bereits seit acht oder neun Jahren für Luckenwalde auflaufen. Wir können auf Teambuilding-Maßnahmen verzichten, weil die Truppe auch außerhalb des Platzes sehr viel zusammen unternimmt. Erfolge und Misserfolge schweißen eine Mannschaft mehr zusammen, als in einem Hochseilgarten zu klettern.

Die Frage muss erlaubt sein: Träumt der FSV 63 Luckenwalde jetzt vom Aufstieg in die 3. Liga?

Braune: An unserer Zielsetzung hat sich nichts geändert. Es geht darum, so schnell wie möglich die nötigen Punkte für den Klassenverbleib zu sammeln. 17 Zähler haben dafür noch nie gereicht. (lacht) Ich denke nach wie vor, dass der FC Carl Zeiss Jena, der FC Energie Cottbus und der BFC Dynamo die Meisterschaft unter sich ausmachen werden.

Sie selbst sind erst seit dieser Saison für das Regionalliga-Team verantwortlich, hatten zuvor im FSV-Nachwuchsbereich für die U 19 gearbeitet. Mit welchen persönlichen Zielen sind Sie in die Saison gestartet?

Braune: Der FSV Luckenwalde ist mein Heimatverein und bedeutet mir sehr viel. Der Klub hat mir ohne jegliche Erfahrung die Chance gegeben, eine Regionalliga-Mannschaft zu trainieren. Ich weiß dieses Vertrauen zu schätzen, will mich persönlich und auch die Mannschaft jedes Jahr ein Stückchen verbessern. Noch sind wir längst nicht am Ende unserer Entwicklung. Wir haben in allen Phasen des Spiels noch jede Menge Luft nach oben. Daran ändert auch die aktuelle Tabellenführung nichts.

Sie haben früher für den FSV Luckenwalde gespielt und Ihre Karriere mit 35 Jahren in der FSV-Reserve ausklingen lassen. Juckt es bei Ihnen noch in den Füßen?

Braune: Dafür habe ich wirklich keine Zeit mehr. Vor dem Training bin ich - wenn wir eine Ecke aufmachen - im "Vier gegen Zwei" noch gerne dabei, mehr aber auch nicht. Eine komplette Trainingseinheit würde ich konditionell ohnehin gar nicht mehr überleben.

Sie sind nach wie vor kein Vollzeit-Trainer. Was machen Sie beruflich?

Braune: Ich arbeite seit meinem 17. Lebensjahr als Fluggeräte-Mechaniker bei einem großen Konzern, kümmere mich um die Entwicklung von Flugzeugtriebwerken.

An welchen Trainertypen orientieren Sie sich?

Braune: Es macht wenig Sinn, einem bestimmten Trainervorbild nachzueifern, sondern man muss authentisch bleiben. Ich schaue mir allerdings lieber ein Spiel des Teams von Pep Guardiola als beispielsweise eine Partie von Jürgen Klopp an. Auf dem Fußballplatz möchte ich von meiner Mannschaft möglichst in allen Belangen spielerische Lösungen sehen. In dieser Hinsicht haben wir noch viel Arbeit vor uns.

Am Freitag geht es gegen die U 23 von Hertha BSC mit dem früheren Cheftrainer Ante Covic. Was wollen Sie von Ihrer Mannschaft sehen?

Braune: Vor allem im Spiel gegen den Ball hatten wir zuletzt ein wenig vermissen lassen, müssen gegen Hertha eine höhere Intensität an den Tag legen. Wir müssen einfach griffiger sein, wollen uns nicht das Spiel des Gegners aufdrücken lassen. Wenn uns das gelingt, dann stehen die Chancen nicht schlecht, unsere Position zu verteidigen.