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Das Jahr 2019 hält für Imke Wübbenhorst eine ganz besondere Herausforderung bereit. Die 30-Jährige ehemalige U-Nationalspielerin hat beim Fünftligisten BV Cloppenburg die erste Männer-Mannschaft übernommen und soll das Schlusslicht der Oberliga Niedersachsen zum Klassenverbleib führen. Als erste Frau ist Wübbenhorst damit im Männerbereich auf diesem Niveau tätig. Zuvor war sie für die erste Frauen-Mannschaft des BVC in der 2. Frauen-Bundesliga verantwortlich.
Im Interview mit FUSSBALL.DE spricht Imke Wübbenhorst über ihr Temperament, den Respekt vor der neuen Aufgabe und warum sie die Bundesligakonferenz nur ungern schaut.
FUSSBALL.DE: Sie trainieren als erste Frau eine Männer-Mannschaft in der 5. Liga. Was ist in den vergangenen Tagen alles auf Sie eingeprasselt, Frau Wübbenhorst?
Imke Wübbenhorst: Ich hätte nicht damit gerechnet, dass es im 21. Jahrhundert so eine enorme mediale Reaktion hervorruft, wenn eine Frau eine Männer-Mannschaft in Liga fünf übernimmt. Es ist ja fast schon ein Hype entstanden. Einige Anfragen habe ich vorerst abgeblockt. Erstens habe ich noch nichts geleistet, zweitens möchte ich in erster Linie über Fußball reden.
"Ich möchte in erster Linie über Fußball reden"
Wie kam es dazu, dass Sie nun die erste Männer-Mannschaft des BV Cloppenburg trainieren?
Wübbenhorst: Cheftrainer Olaf Blancke hatte ein Angebot von Ligakonkurrent Atlas Delmenhorst angenommen, weil er dort bessere Perspektiven für sich sah. Der BVC ist finanziell nicht auf Rosen gebettet. Eine interne Nachfolger-Lösung wurde daher favorisiert. Ich denke, dass die Wahl auf mich auch wegen der Voraussetzungen getroffen wurde, die ich mitbringe. Ich bin im Besitz der A-Lizenz, habe Sport studiert, bin Pädagogin und habe Trainer-Erfahrung. Die Verantwortlichen haben mir den Sprung zugetraut.
Wie lange mussten Sie überlegen?
Wübbenhorst: Kurz nachdem Olaf Blancke den BVC verlassen hatte, habe ich zu unserem Vorstand im Scherz gesagt: "Wenn ihr niemanden findet, mache ich es halt." Danach habe ich keine Sekunde mehr daran gedacht. Schließlich hatte ich mich schon bei anderen Vereinen für einen Trainerposten bei einem Männer-Team beworben, bekam aber nur Absagen. Plötzlich rief mich Tanja Schulte an, meine beste Freundin und Sportliche Leiterin der Frauen- und Mädchenabteilung beim BVC. Sie sagte mir nur: "Die wollen Dich wirklich." Entscheidend für mich war zum einen das moralische Okay von Tanja. Sie wusste von meinem Wunsch, einmal in den Männer-Bereich zu wechseln. Außerdem war mir wichtig, dass sie die Frauen-Mannschaft wieder übernimmt. Bei Tanja weiß ich sie in guten Händen.
Wie stolz sind Sie, die erste Trainerin einer Herren-Mannschaft in der 5. Liga zu sein?
Wübbenhorst: Ehrlich gesagt: gar nicht. Ich habe doch in meinem neuen Job noch nichts erreicht. Außerdem ist die Konstellation ja eher aus der Not geboren.
Und wieviel Respekt haben Sie vor der Aufgabe?
Wübbenhorst: Viele glauben, dass es im Bereich der Autorität Probleme geben könnte. Das sehe ich nicht so. Ich weiß aber, dass die ersten zwei bis drei Wochen entscheidende Bedeutung haben. Ich muss mit Qualität und Inhalten überzeugen. Mein Ziel ist es, unsere Spieler dahinzubringen, dass sie für mich durchs Feuer gehen. Rein sportlich ist der Respekt selbstverständlich groß. Es ist zwar nicht ausweglos, aber sehr schwer, die Klasse zu halten.
Wie soll es nach oben gehen?
Wübbenhorst: Es sind ja nicht nur die sechs Punkte Rückstand auf einen Nichtabstiegsrang, die wir aufholen müssen. Die Mannschaft musste in 18 Partien auch schon 40 Gegentreffer hinnehmen. Wir müssen also dahinkommen, kompakt und diszipliniert zu verteidigen, ohne Beton anzurühren. Denn wir benötigen Siege, um unten herauszukommen. Ich rechne damit, dass wir aus den zwölf verbleibenden Begegnungen sieben Dreier benötigen, um eine Chance zu haben. Da die direkte Konkurrenz noch einmal aufrüsten wird, müssen wir uns enorm strecken.
Kennen Sie schon alle Spieler?
Wübbenhorst: Ich bin mittlerweile siebeneinhalb Jahre im Verein und kenne alle. Bei den Spielen der ersten Mannschaft habe ich fast immer zugeschaut. Das ist für mich selbstverständlich. Ein Verein muss zusammenhalten.
Wie sollen die Spieler Sie rufen?
Wübbenhorst: Das hat mich Kapitän Kristian Westerveld auch gefragt. Er sagte, dass die Spieler bisher immer „Trainer“ und „Coach“ gerufen hätten. Das ist für mich absolut okay. Ich fände es im Gegenteil eher komisch, wenn jemand „Trainerin“ sagt. Und die Spieler sollen mich duzen. Ich benötige keine künstliche Distanz durch die Ansprache mit „Sie“.
Haben Sie Ihre Ansprache vor dem ersten Training schon im Kopf?
Wübbenhorst: Ich hatte die Mannschaft schon kurz nach Weihnachten zusammengetrommelt, um ihr einiges mit auf den Weg zu geben. Wichtig ist mir, dass jeder mit 100 Prozent bei der Sache ist. Ich liebe den Fußball und gehe in meiner neuen Aufgabe schon jetzt auf. Deshalb soll mir niemand kommen mit Sätzen, in denen ein „Aber“ steckt. Entweder bin ich bereit, alles für den Klassenverbleib zu geben, oder eben nicht. Wir steigen am 14. Januar in das Training ein. Jeder Spieler hat einen Trainingsplan bekommen, den er abarbeiten muss. Denn muskuläre Verletzungen in der Vorbereitung können wir nicht gebrauchen.
Inwiefern müssen Sie sich im Vergleich zur Arbeit in der 2. Frauen- Bundesliga umstellen?
Wübbenhorst: So viele Unterschiede gibt es gar nicht, glaube ich. Es spielen in der Oberliga wie auch in der 2. Frauen-Bundesliga Mannschaften, die eher robust an die Sache herangehen und andere, die ihre Stärken im taktischen Bereich haben. Was mir aber beim Video-Studium aufgefallen ist: Die schnelle Seitenverlagerung mit einem langen und hohen Pass ist in der Oberliga ein Mittel, das in der 2. Frauen-Bundesliga nicht so häufig angewandt wird.
Sie bezeichnen sich selbst als temperamentvoll. Also benötigen Sie keinen Stuhl an der Seitenlinie?
Wübbenhorst: (lacht) Ich sitze meist nur ein paar Sekunden und stehe direkt wieder auf. Ich gehe an der Seite zwar mit, habe mich aber stets unter Kontrolle. Was ich so gar nicht haben kann: Wenn jemand nicht respektvoll mit seinen Mitmenschen umgeht oder wenn ich merke, dass jemand nicht alles gibt. Dann platze ich innerlich.
Sie sind bereits im Besitz der A-Lizenz. Den nächsten Schritt haben Sie schon im Kopf, oder?
Wübbenhorst: Das stimmt. Ich hatte mich schon für den letzten Lehrgang zum Fußball-Lehrer beworben und habe die Bewerbung für den nächsten schon abgeschickt. Ich möchte das unbedingt machen.
Stimmt es, dass Sie nur selten die Bundesligakonferenz schauen?
Wübbenhorst: Ich bevorzuge das Einzelspiel - am besten mit einer taktischen Perspektive von weit oben, aus der man gut analysieren kann. So macht mir Fußballschauen am meisten Spaß.
Lässt sich die Arbeit als Oberliga-Trainerin gut mit Ihrer Tätigkeit als Lehrerin an einem Gymnasium vereinbaren?
Wübbenhorst: Mein Schulleiter unterstützt mich sehr. Für den Fußball-Lehrerlehrgang würde er mich sogar beurlauben. In der täglichen Arbeit wird sich für mich zunächst nicht viel ändern. Die Auswärtsfahrten sind sogar kürzer. In der 2. Frauen-Bundesliga finden die Spieler ja bundesweit statt. Insofern habe ich sogar Zeit gewonnen.
Sehen Sie sich rein fußballerisch auch in einer Art Vorreiterrolle?
Wübbenhorst: Ich würde mir zunächst einmal wünschen, dass meine Arbeit fair beurteilt wird. Jeder Trainer hätte es in der aktuellen Situation beim BV Cloppenburg schwer. Mein Ziel ist, unabhängig von Abstieg oder Nichtabstieg, eine Entwicklung erkennen zu lassen. Egal was passiert: Die erste Mannschaft soll auch in der nächsten Saison eine Perspektive haben. Klar ist auch, dass ich mir wünsche, dass ich meinen Beitrag leiste, damit die Hemmschwelle bei anderen Klubs, eine Frau als Cheftrainerin einzustellen, sinkt.
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