Drochtersen: Der Betreuer traf gegen Gladbach
SV-Betreuer Andreas Heinsohn (links oben) war einst Torschütze gegen Borussia Mönchengladbach. Durch den Sieg im Niedersachsenpokal (rechts) ist der SV Drochtersen/Assel in den DFB-Pokal eingezogen. [Foto: Imago (2), Verein / Collage: FUSSBALL.DE]
Ein ohrenbetäubender Jubel brach im Vereinsheim aus, als das Los Borussia Mönchengladbach gezogen wurde. Trainer Enrico Maaßen sprach vor einem Traumlos. Mittelfeldspieler Oliver Ioannou sagte gegenüber dem Stader Tageblatt sogar: "Wir werden eine Chance haben. Wir gehen nicht auf den Platz, um zu verlieren." Das Selbstvertrauen bei der SV Drochtersen/Assel vor dem Duell in der ersten DFB-Pokalrunde am Samstag, 20. August (ab 15.30 Uhr, live bei Sky), ist groß. Warum auch nicht? Hat der Regionalligist mit Andreas Heinsohn doch einen Mann, der bereits ein Tor gegen Borussia Mönchengladbach erzielt hat. Einziger Wermutstropfen: Es handelt sich um den Betreuer - und der ist mittlerweile 53 Jahre alt.
Heinsohn hat praktisch sein ganzes Leben im Verein verbracht. Er durchlief sämtliche Jugendmannschaften, spielte später für die "Erste Herren" bis hoch in die Landesliga. 1992 fand ein Testspiel gegen Borussia Mönchengladbach statt, die in Norddeutschland ein Trainingslager abhielten. Heinsohn stand damals im Tor, musste häufig hinter sich greifen. "Wir haben 13 Gegentore kassiert", erinnert er sich. "Ich habe sehnsüchtig darauf gewartet, dass endlich der Schlusspfiff kam." Kurz vor Spielende wurde der SV Drochtersen/Assel ein Elfmeter zugesprochen. "Meine Mitspieler haben mir den Ball hingelegt, und ich habe ihn einfach in die Mitte geschossen. Der damalige Torwart Uwe Kamps sprang glücklicherweise in die Ecke. Das Tor war natürlich ein Highlight."
Heute ist Heinsohn weder fürs Schießen noch das Verhindern von Toren zuständig. Als Betreuer kümmert er sich um alles Organisatorische - von der Bereitstellung der Trikots bis hin zur Verpflegung. Er ist davon überzeugt, dass sich die Mannschaft nun besser schlagen wird als vor 24 Jahren: "Gladbach ist eine Spitzenmannschaft", sagt er. "Wir träumen zwar nicht unbedingt von einem Sieg, sollten aber zumindest etwas mitspielen können."
Alle Spieler sind Amateure
"Ich habe sehnsüchtig darauf gewartet, dass endlich der Schlusspfiff kam"
Die jüngere Vergangenheit macht Mut. Der Verein aus dem Landkreis Stade (Nahe Hamburg) machte 2015 die Meisterschaft in der Oberliga Niedersachsen vorzeitig perfekt. Als Aufsteiger gelang in der Regionalliga Nord ein beachtlicher vierter Platz - mit dem Gewinn des Niedersachsenpokals als i-Tüpfelchen. Highlight war das Halbfinale, in dem der Favorit VfB Oldenburg mit 2:1 bezwungen wurde. "Unsere Mannschaft überzeugt durch Geschlossenheit", sagt Heinsohn. "Jeder Spieler arbeitet hart, unser Trainer Enrico Maaßen ist zudem sehr akribisch. Wir sind eine Einheit."
Alle Spieler sind Amateure. Erfahrungen in einer höherklassigen Liga hat kaum einer gesammelt. Zu den wenigen Ausnahmen zählt Mittelfeldspieler Florian Nagel, der in der 3. Liga für Werder Bremen II gespielt hat. Torwart Patrick Siefkes war zudem Ersatztorwart des ehemaligen Drittligisten FC Carl Zeiss Jena. Heute ist Fußball lediglich noch ein Hobby. Nagel studiert Maschinenbau, Siefkes arbeitet als Bürokaufmann. Kapitän Soeren Behrmann, der aus dem Nachwuchs von Eintracht Braunschweig stammt, verkauft Autos.
Stadionkapazität erweitert
Das Spiel gegen den Bundesligisten ist für alle ein Highlight. Nicht nur für die Spieler, auch für die Fans. Kaum war das Los Borussia Mönchengladbach gezogen, quollen das E-Mail-Postfach und der Facebook-Account des Vereins über. Die Nachfrage nach Tickets war riesig. Eigentlich passen in das Kehdinger Stadion, wo die Bratwürste angeblich besonders lecker sind, lediglich 3000 Zuschauer. Extra für das Pokalspiel wird es auf rund 7000 Plätze erweitert. Die Tickets waren umgehend ausverkauft. Heinsohn überrascht das nicht: "Gladbach hat hier im Norden sehr viele Fans."
Sollte den Fußballern aus dem beschaulichen, rund 11.000 Einwohner zählenden Drochtersen erneut ein Tor gegen Gladbach gelingen, wäre die Freude sicherlich groß. Allerdings ist die SV eine Mannschaft, die sich eher auf das Verteidigen konzentriert. Lediglich Stürmer Alexander Neumann hat vergangene Saison mit seinen elf Toren zweistellig getroffen. Sollte der 26-Jährige gegen Gladbach keinen Erfolg haben, bleibt wohl nur eine Option: Der Betreuer muss eingewechselt werden.
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