15-jährige Mia: Dank Facebook im Nationalteam
Maryam Qasemi im Trikot der afghanischen Nationalmannschaft und im Klubhaus des SV Oppum. [Foto: Fotos privat, www.appeltundhuth.de; Collage FUSSBALL.DE]
Sie mag die Spielweise von Cristiano Ronaldo, drückt bei Bundesliga-Spielen Borussia Dortmund die Daumen und plaudert in der Kabine gerne über Charts-Musik. Maryam Qasemi teilt ihre Vorlieben mit zigtausend Teenagern. In einem Punkt hebt sich die 15-Jährige aber von gleichaltrigen Fußballerinnen ab: Maryam Qasemi ist Frauen-Nationalspielerin. Für Afghanistan.
Die Krefelderin reiste für ihr Land vor kurzem nach Kalifornien und spielte dort im afghanischen Trikot. Beinahe wäre sie über die Weihnachtstage zum Südasien-Cup nach Indien geflogen. Doch die Nationaltrainerinnen setzten für dieses Turnier noch auf die erfahrenen Spielerinnen. Maryam Qasemi kann es verschmerzen. Das Jahr 2016 bot ihr auch so genügend Highlights. „Was ich erlebt habe, ist einfach unglaublich“, sagt sie bei einem Treffen im Vereinsheim des SV Oppum .
Maryam Qasemi ist Mitglied in dem Krefelder Stadtteil-Klub. Mit zehn Jahren hatte sie es satt, sich nur als Zuschauerin die Spiele des jüngeren Bruders anzuschauen. Das Mädchen wollte selber das Oppumer Trikot tragen. Und nach wenigen Monaten sahen ihre Trainer bereits, welch großes Talent sie im Klub haben. Mia, so wird Maryam Qasemi überall nur genannt, überzeugte mit Ehrgeiz, Zweikampfstärke und Stellungsspiel. Bei den Oppumer B-Juniorinnen ist ihr Stammplatz in der Kreisklasse rechts in der Abwehr. „Wenn Mia fehlt, macht sich das schon bemerkbar. Unsere Torhüterin hat dann viel mehr zu tun“, sagt ihre Trainerin Daniela Koslitz.
Der Zufall half nach
"Wenn Mia fehlt, macht sich das schon bemerkbar. Unsere Torhüterin hat dann viel mehr zu tun"
Das Talent ist die eine Sache, die Maryam Qasemis Weg in die Nationalmannschaft ebnete. Hinzu gesellte sich der Zufall. So änderte die Schülerin Anfang des Jahres ihr Profilbild bei Facebook. Wer im sozialen Netzwerk Maryam Qasemi fand, sah fortan ein Mädchen im Fußballtrikot. Die Krefelderin dachte sich nichts dabei. Dann erhielt sie eine Nachricht. Eine afghanische Nationalspielerin schrieb sie an. „Mein Nachname ist typisch für das Land. Deshalb wollte sie wissen, ob ich die Staatbürgerschaft habe“, erzählt Maryam Qasemi. Sie antwortete, dass ihre Familie aus Afghanistan stamme. Der Vater floh 1988 nach Europa, kurz bevor am Hindukusch der Bürgerkrieg ausbrach.
Maryam Qasemi hat das Land ihrer Vorfahren häufig besucht. Einen afghanischen Pass besaß sie aber nicht. Nach der Facebook-Anfrage ging es sehr schnell. Maryam Qasemi beantrage die afghanische Staatsbürgerschaft, kurz darauf folgte eine Einladung zu einem Sichtungslehrgang in Kalifornien. Und so flog die Krefelderin mit Trainingssachen und Fußballschuhen im Gepäck an die Westküste der USA. Vor 15 Jahren wäre so etwas noch undenkbar gewesen. Sport war für Frauen und Mädchen aus Afghanistan unter den Taliban verboten. Seit 2007 gibt es zwar eine Nationalmannschaft. Diese spielte international aber keine große Rolle. Um das zu ändern, fahndeten die Trainerinnen Kelly Lindsey und Haley Carter nach afghanischen Fußballerinnen, die in Europa und den USA leben. Maryam Qasemi wollte Teil einer Mannschaft sein, die das neue Selbstbewusstsein der afghanischen Frauen über den Sport transportiert. Eine Botschafterin einer zerrütteten Nation.
Training bei 45 Grad
Ihre Schule stellte sie frei und so ging es zum Lehrgang nach Kalifornien. Die Nachricht drang auch bis nach Herat vor. In der afghanischen Großstadt lebt ein Teil der Familie. „Die sind unfassbar stolz, dass ich unser Land jetzt vertrete“, erzählt Maryam Qasemi.
In Kalifornien zeigte die Krefelderin, was in ihr steckt. 45 Grad Celsius auf dem Trainingsplatz und die Tatsache, dass sie die mit Abstand jüngste Spielerin im Kader war, konnten sie nicht einschüchtern. Anfang September stand Maryam Qasemi bei einem Turnier auf dem Platz. Sie hörte die afghanische Hymne, trug ein Trikot mit dem Wappen und gab in den Spielpausen Autogramme. Am Ende holte sich Maryam Qasemis Team mit einem Erfolg über den mexikanischen Klub Salinas FC den Turniersieg.
Als offizielles Länderspiel wurde die Partie nicht gewertet. Das wird die Krefelderin vermutlich im kommenden Jahr bestreiten. Dass sie jetzt nicht mit nach Indien geflogen ist, stört Maryam Qasemi nicht. „Wir Spielerinnen verstehen uns alle als Schwestern. Und meinen Schwestern drücke ich jetzt die Daumen“, sagt sie. Für Daniela Koslitz hat es auch etwas Positives, dass Maryam Qasemi an den Feiertagen und zum Jahreswechsel in Deutschland bleibt. „Sie kann jetzt bei den Hallenturnieren mitspielen und dadurch steigen natürlich unsere Chancen“, sagt die Trainerin. Eine Nationalspielerin im Kader macht sich immer gut.