230 Gegentore! Aber Neersen hat Spaß dabei
Die zweite Mannschaft des SV Niersia Neersen liegt derzeit abgeschlagen auf dem letzten Tabellenplatz. [Foto: Fotos FUSSBALL.DE, imago; Collage FUSSBALL.DE]
Woche für Woche bekommen sie die Hütte voll, verlieren mal 0:31, mal 0:34. Dennoch steht die zweite Frauenmannschaft vom SV Niersia Neersen jedes Wochenende auf dem Platz und gibt ihr Bestes. Sie ist Deutschlands Schießbude – und hat Spaß dabei.
Alle fünf Minuten ein Gegentor. Das klingt wie ein schlechter Traum, ist beim SV Niersia Neersen aber die Realität. Pro Spiel kassiert die zweite Frauenmannschaft aus der Kreisliga A im Kreis Kempen-Krefeld im Durchschnitt 17 bis 18 Tore. Insgesamt kommt die Truppe in 13 Spielen auf 230 Gegentreffer. „Nur gemeinsam sind wir eine Mannschaft. Und genau das ist es, was uns Kraft und Zusammenhalt gibt. Dadurch verlieren wir nicht den Mut und Spaß“, erzählt Mats Holthausen, Trainer des Tabellenletzten und fügt hinzu: „Das Wort Mannschaft besteht aus zehn Buchstaben, unser Team aus neun Spielerinnen und einem Trainer. Jeder von uns trägt also einen Buchstaben. Jeder weiß, dass es ohne ihn nicht funktioniert.“
Gelernt zu verlieren
Das Wir-Gefühl ist also da, dennoch lassen Tore und Punkte auf sich warten. Der Coach sieht es gelassen: „Unser Team besteht aus absoluten Anfängern. Ich erwarte von meinen Mädels keinen oberen Tabellenplatz. Wir haben unseren Gegnern die Stirn geboten, obwohl im Vorhinein schon feststand, dass wir nicht gewinnen. Wir haben gelernt zu verlieren, gelern,t was es heißt, ein Team zu sein.“ Immerhin einen Punkt konnte die Mannschaft in der laufenden Saison einfahren. Gegen die Zweitvertretung vom SC Bayer 05 Uerdingen gelang das Wunder von Neersen. Endstand: Kein 0:34, kein 0:31 wie üblich, sondern ein 7:7. „Ehrlich gesagt hatten wir zwei Spielerinnen der ersten Frauenmannschaft auf dem Feld. Zu sehen, dass Pässe und Flanken ankommen und verarbeitet werden können, hat den Mädels viel Kraft gegeben“, erinnert sich Holthausen. Der Gegner, der sich auf ein Schützenfest eingestellt hatte, war verwirrt. Der SV nutze seine Chance. „Das hat meinen Mädels gezeigt, dass mehr in ihnen steckt. Darauf können wir bauen“, zeigt sich Holthausen zuversichtlich.
"Tore und Punkte sind nun mal nicht das Wichtigste für uns. Auch 800 Gegentreffer würden uns nicht auseinanderreißen"
Trainer: Freund und Seelsorger
Doch Zuversicht und Enttäuschung liegen nah beieinander. Die Spielerinnen müssen jede Woche aufs Neue den Frust wegstecken. „Das ist schwierig. Als Trainer bin ich nicht nur Trainer. Jeden Spieltag kommen weitere Aufgaben auf mich zu – ob als Mannschaftsarzt, Betreuer, Freund und Seelsorger“, erzählt der Coach und schiebt hinterher: „Aber spätestens in der Kabine sehe ich bei jeder wieder ein Lächeln im Gesicht. Tore und Punkte sind nun mal nicht das Wichtigste für uns. Auch 800 Gegentreffer würden uns nicht auseinanderreißen. Gönnen wir den Teams ein paar mehr Tore als gewöhnlich.“
Bei den Herren ist die zweite Mannschaft des SV Vonderort die Schießbude Deutschlands. 222 Gegentore in 18 Spielen musste die Kreisliga-Truppe, Kreis Oberhausen-Bottrop, in der Hinrunde der laufenden Saison verkraften. Durchschnittlich sind das zwölf bis 13 Gegentreffer pro Partie.