Abenteuer |07.03.2017|15:00

Bergedorfs Mina: Über Malediven nach Texas

Mina Ahmadi im Trikot der afghanischen Nationalmannschaft und am Ball für Bergedorf 85. [Foto: Fotos privat; Collage FUSSBALL.DE]

„Irgendwie meint es jemand in diesem Jahr ganz besonders gut mir, was den Fußball betrifft“, sagt Mina Ahmadi vom Hamburger Landesligisten Bergedorf 85 strahlend. In der Tat steht die erst 19 Jahre alte Mittelfeldspielerin, aufgrund der Herkunft ihrer Eltern seit 2015 afghanische Nationalspielerin, vor einer ziemlich außergewöhnlichen Zeit. Nach der Südasienmeisterschaft in Indien mit dem Nationalteam Anfang Januar stehen für die Hamburgerinnen jetzt zwei höchst interessante Auslandsengagements auf Vereinsebene an. Zunächst auf den Malediven, anschließend in den USA.

„Eigentlich wollte ich jetzt nach der Winterpause mit Bergedorf 85 richtig durchstarten, nachdem ich in der Hinserie nicht so oft spielen konnte“, sagt Ahmadi. Ihr Team liebäugelt als Tabellenvierter hinter Duwo, Egenbüttel und Eimsbüttel mit einer noch besseren Platzierung. Doch dazu beitragen kann Ahmadi, anders als geplant, nun doch nicht.

Denn am 17. März wird sie im Flieger Richtung Malediven sitzen, über Istanbul geht es nach Male. Mina Ahmadi hat eine Einladung angenommen, an der diesjährigen Futsal Fiesta des Inselstaates teilzunehmen. Das ist das größte Futsalturnier des Landes, mit einem Wettbewerb für Männer und einem für Frauen. Am Frauenturnier gehen 15 Teams an den Start, die bis Ende April um den nationalen Titel spielen. Gekickt wird draußen, auf Handballtore und auf kleinem Feld in einem schnuckeligen Futsal-Stadion im Maafanuu-Sportkomplex. Der liegt an der Ameenee Magu am Südrand der eng bebauten pulsierenden Hauptstadt-Insel nahe dem Fähranleger zur Insel Vilingili. Nicht auf Rasen wird gespielt, sondern auf gleißend weißem angekarrten Strandsand, den eine Walze, wie sie hierzulande im Straßenbau üblich ist, zu hartem und gut bespielbarem Boden plättet. Bilder aus dem Vorjahr zeigen rasanten Sport vor für die Inselverhältnisse großem Publikum in Male. Sogar der Staatspräsident und seine First Lady gehören zum Stammpublikum.

Geburtstag auf den Malediven

"Mir tut es leid, dass ich Bergedorf jetzt nicht mehr zur Verfügung stehen kann. Es fühlt sich ein bisschen so an, als würde ich die Mädels im Stich lassen"

Mina Ahmadi wird in Male für das Team STO RC auflaufen. Das ist das Team der State Trade Organisation, also der staatlichen Organisation, die zahlreiche Businessbeziehungen in Handel und Wirtschaft verantwortet. Von Landwirtschaft und Fischfang bis hin zu Supermarkt-Ketten und Industriezweigen, etwa im Tourismus. Im letzten Jahr erreichte STO das Halbfinale, scheiterte aber am späteren Turniersieger Club Immigration. Der ist jetzt Gruppengegner, ebenso wie das Staatliche Energie Unternehmen Stelco, das Team des Staatlichen Wirtschaftshafens MPL und die Staatliche Krankenversicherung Aasandha. Dicke Fische also für Mina Ahmadi und ihre neuen Teamkameradinnen.

Den Kontakt nach Hamburg hergestellt hat übrigens Afghanistans erste Nationaltorhüterin Wida Zemarai. Die 29-Jährige hatte es einst als Flüchtling über Usbekistan nach Schweden verschlagen, wo sie inzwischen beim Viertligisten Sjömarkens IF in der Göteborg-Liga den Kasten sauber hält. Vor zwei Jahren sammelte sie Erfahrungen mit STO bei der Fiesta und hat jetzt Ahmadi als talentierte Spielerin wärmstens empfohlen. Keine Frage: STO plant Großes und tut Vieles dafür. Ende 2012 übrigens wurde das zum STO-Konsortium gehörige Team der Firma „Sun Hotels and Resorts“, die Luxushotels im Südmale-Hotel betreibt und verwaltet, Champion der damals zum ersten Mal ausgetragenen Malediven-Meisterschaft im Frauenfußball.

„Die Einladung kam vor ein paar Wochen, als ich mit meinen Eltern auf Familienurlaub in Paris war“, erzählt Ahmadi. „Ich konnte das erst gar nicht glauben. Natürlich habe ich sofort zugesagt. Solch eine Gelegenheit kommt vielleicht nie wieder im Leben. Für mich sehe ich das als eine riesige Herausforderung, die mein Leben ungemein bereichern wird. Ich bin total happy und kann es gar nicht erwarten, endlich im Flieger zu sitzen“, sprudelt das Glück aus der Hamburgerin  geradezu heraus. „Unglaublich, meinen 20. Geburtstag werde ich beim Fußball auf den Malediven verbringen.“

Nur einen Tag zu Hause

Doch damit nicht genug. „Einen Tag nach meiner Rückkehr nach Hamburg werde ich erneut unterwegs sein. Dieses mal in die andere Himmelsrichtung, in die USA, nach Houston in Texas. Dort habe ich ab dem 1. Mai einen Saison-Vertrag für das Team der Bluehonnets in der WPSL (Womens Professional Super League) bekommen.“ Wie so etwas möglich ist? „Hailey Carter, unsere Co-Trainerin fürs afghanische Nationalteam, ist US-Amerikanerin, war früher Keeperin bei den Profis von Houston Dash und ist gerade Spielertrainerin bei den Bluehonnets. Sie schätzt mein Talent im Mittelfeld sehr und hat mir deshalb ein Vertragsangebot gemacht.“

Auf der Team-Website spricht Carter von einer Win-win-Situation für die TTi-Bluehonnets und für Ahmadi. „Mina hat beim afghanischen Nationalteam ihren Wert bei Spielen und Trainingscamps bewiesen. Sie ist taktisch clever, technisch stark und ihre internationale Erfahrung wird für uns sehr wertvoll.“ TTi-Sportdirektor Lee Cullip hofft auf „mehr Tiefe für unser Mittelfeldspiel“, nicht zuletzt aufgrund Ahmadis Vereinsspiele bei Bergedorf 85.

Bis Ende Juli wird die Hamburgerin das schwarze 85-Trikot gegen den hellblauen TTi-Dress der Bluehonnets tauschen und in Texas kicken. „Bessere Möglichkeiten, mich weiter zu entwickeln, kann ich gar nicht haben“, freut sie sich auf die „blauen Lupinen“ aus Houston. Trotz aller Glücksempfindungen sieht sie auch einen kleinen Wermutstropfen. „Mir tut es leid, dass ich Bergedorf jetzt nicht mehr zur Verfügung stehen kann. Es fühlt sich ein bisschen so an, als würde ich die Mädels im Stich lassen. Gottseidank gibt es nur positive Rückmeldungen. Ich solle das unbedingt machen, hat mich auch mein Trainer Rene Pinnow bestärkt“, hat Ahmadi vor ihrem Entschluss verschiedene Aspekte genau abgewogen.

„Kurios ist übrigens, dass ich das USA-Angebot an gleichen Tag bekommen habe wie die Einladung auf die Malediven. Irgendwie scheint alles optimal zu passen. Selbst meine Absicht, die Uni zu wechseln, statt Geschichte künftig Sportmanagement zu studieren, fügt sich in diesen neuen Zeitplan. Denn als ich mir das überlegt hatte, war klar, dass ich erst im Herbst zum kommenden Wintersemester starten wollte. Da hat also wirklich jemand mit mir ziemlich wohlwollend seine Hände im Spiel.“