Integration |29.08.2017|13:15

Sitterswald am Ende: Dann kamen die Syrer

Multi-Kulti-Truppe: Es läuft wieder rund beim SV Sitterswald. [Foto: SV Sitterswald]

Personell schien der SV Sitterswald noch vor wenigen Monaten am Ende. Nach zahlreichen Spieler-Abgängen und Rücktritten im Vorstand hatte der Klub aus der Kreisliga A Südsaar auf einmal nur noch eine Handvoll Akteure zur Verfügung und ging auch auf der Führungsebene schweren Zeiten entgegen. Dank syrischen Flüchtlingen läuft es aber jetzt wieder auf dem Platz – und auch hinter den Kulissen tut sich einiges.

„Wir standen ganz kurz davor, die Mannschaft vom Spielbetrieb abzumelden“, erinnert sich Mirko Lang. Der 24-Jährige ist Torwart, Co-Trainer und Fußballabteilungsleiter beim SV Sitterswald in Personalunion. Der Aschenplatz und die Randlage des 1500-Seelen-Dorfs etwa 15 Kilometer südlich der Landeshauptstadt Saarbrücken unweit der Grenze zu Frankreich hatte vielen das Spielen beim SVS als nicht mehr attraktiv erscheinen lassen. „Wir haben alles versucht, um neue Leute zu bekommen – über Facebook und persönliche Kontakte, leider zunächst ohne Erfolg“, berichtet Lang.

Dann kam die Rettung: SV-Kapitän und Co-Trainer Fouad Bougad konnte auf Anhieb neun syrische Flüchtlinge, die er in einer arbeitsbegleitenden Maßnahme betreut, davon überzeugen, ein Probetraining zu absolvieren. Schnell kamen weitere sieben junge Sportler aus dem Bürgerkriegsland in Vorderasien hinzu. Und sie sind geblieben, wie Lang stolz anmerkt: „Die Chemie zwischen ihnen und uns, die schon im Verein waren, stimmt. Es hat auf Anhieb gepasst.“

Fahrdienst und Projektgruppe

"Es ist Leben in der Mannschaft. Allen macht es Riesenspaß"

Brückenbauer Bougad kommt dabei eine wichtige Funktion zu; er beherrscht beide Sprachen, er übersetzt auch die Anweisungen von Trainer Volker Wannenmacher. „Einige Syrer sprechen aber schon gut Deutsch und lernen schnell. Das macht es natürlich noch einfacher“, sagt Lang. „Vieles geht aber auch einfach über Hand und Fuß – soviel muss man im Fußball auch nicht immer reden“.

Logistisch müssen sie beim SV Sitterswald einiges stemmen, um die vielen neuen Spieler zum Training und zu den Spielen zu transportieren. Lang selbst sammelt ein paar bei seiner Tour aus dem 30 Kilometer entfernten Völklingen auf. Zudem gibt es zwei Treffpunkte in Saarbrücken, wo die Syrer überwiegend wohnen. Und hier ziehen sie im Verein alle an einem Strang: Coach Wannenmacher bringt sich ebenso als Chauffeur ein, wie etwa unter anderen auch Klubwirtin Lilli Hoffmann sowie Spieler und deren Freunde oder auch Arno Schwarz vom Förderverein. Rund 5000 Kilometer kamen so alleine in der Vorbereitung und den ersten Wochen der neuen Saison bereits zusammen.

Langfristig sollen die Flüchtlinge nun eingebunden werden. Deshalb wurde eine Projektgruppe gegründet, die auch Fördergelder eruieren soll. „Vielleicht können wir so zum Beispiel die Fahrsituation verbessern und den Syrern weitere Hilfestellungen für den Alltag geben“, hofft Lang. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) fördert Amateurvereine, die Flüchtlinge bei ihrer Integration unterstützen, mit der Kampagne „2:0 für ein Willkommen“.

Syrische Spezialitäten im Klubheim

Die Mannschaft ist  mit je einem Sieg, einem Remis und einer Niederlage ordentlich in die neue Runde in der A-Liga gestartet. Die Trainingsbeteiligung liegt in der Regel zwischen 18 und 20 Akteuren. „Das Team ist lernbereit und steigert sich von Spiel zu Spiel“, merkt Lang stolz an. Und auch Missverständnisse waren schnell ausgeräumt: „Ein Syrer wollte den Passantrag nicht unterschreiben, weil er dachte, dann immer da sein zu müssen. Wir haben ihm dann klar gemacht, dass es ja nur ein Hobby ist und er letztlich keine Verpflichtungen eingeht.“

Auch außerhalb des Platzes funktioniert die Verständigung. Syrische Spezialitäten haben schon im Klubheim die Runde gemacht und sollen auch auf dem Nikolausmarkt in Sitterswald angeboten werden. Zudem feiern die Fußballer mal mit syrischen Tänzen, während die Flüchtlinge längst auch deutsche Kicker-Evergreens wie „Zicke-zacke“ oder „Humba Täterä“ beherrschen.

„Es ist Leben in der Mannschaft. Allen macht es Riesenspaß“, so Mirko Lang abschließend über die so viel versprechend gestartete saarländisch-syrische Fußball-Kombo.