Weltenbummler |02.09.2017|17:33

Nach USA und Malediven: Alltag Landesliga

Mina Ahmadi (Bild links, links) legt nach Auftritten in den USA und auf den Malediven wieder in Bergedorf los. Auch Manija Mir (Bild oben rechts, 2.v.r.), hier mit ihren Nationalmannschaftskolleginnen Maryam Ruhin (3.v.r.) und Shabnam Ruhin (2.v.l) ist zurück in Bergedorf. Dorranai Hassan (Bild unten rechts) steht dagegen bei Hertha Zehlendorf im Tor. [Foto: Fotos privat; Collage FUSSBALL.DE]

Neue Herausforderungen für Mina Ahmadi und Manija Mir in Hamburg sowie Dorranai Hassan in Berlin. Alle drei gehören aufgrund ihrer Wurzeln zum Nationalkader Afghanistans, stehen in ihren Vereinen Bergedorf 85 und Hertha 03 Zehlendorf jetzt vor neuen Aufgaben. Von Null auf Hundert zur neuen Saison. Die beginnt für die Frauen von Bergedorf 85 mit dem ersten Punktspiel in der Hamburger Landesliga am 10. September. Es geht dann für Mina Ahmadi, Manija Mir und ihre Teamkolleginnen auf dem Sportgelände an den Sander Tannen im Heimspiel gegen die Reserve des Hamburger SV.

Die Zehlendorfer Frauen von Hertha 03 bestreiten ihr erstes Punktspiel bereits am 3. September daheim im Ernst Reuter Stadion gegen SV B.W. Berolina Mitte. Die Blau Weißen schafften als Aufsteiger den Durchmarsch durch die Landesliga in die Verbandsliga. Auch Hertha 03 ist aufgestiegen, spielt als Landesliga-Meister jetzt in dieser Berlin-Liga. Ein spannendes Derby also. Und mit Dorranai Hassan als neuer Torhüterin, altersbedingt aufgerückt von den B-Juniorinnen.

Seit dem Jahreswechsel 2016/2017 ist Dorranai Hassan Nationalspielerin. Der Pool der Keeperinnen  wächst im Herbst auf vier Spielerinnen an, wenn sich der Kader im Oktober in Hongkong für zwei Trainingswochen erstmals wieder trifft. Im Gespräch ist eine gewisse Diana Nadim aus dem dänischen Aarhus, eine jüngere Schwester von US-Profi Nadia Nadim, die spätestens seit der EM in den Niederlanden als dänische Angreiferin bekannt ist. Ihre Schwester Diana ist siebenfache dänische Meisterin Boxen. „Wir wollen in Hongkong sehen, ob Diana stark genug fürs Tor ist“, meint Teammanagerin Kalida Popal. „Diana kann aber auch in der Abwehr spielen.“

Vorbild Casillas

"Ein tolles Erlebnis. Die Monate in den USA haben mir fußballerisch, von der Professionalität und von der Mentalität unheimlich viel gebracht"

Dorranai Hassan sieht das gelassen. Als Torhüterin liebt sie Drucksituationen ohnehin, ist gerne herausgefordert. „Es ist ein gutes Gefühl die letzte Frau zu sein, auf die es dann ankommt. Das kribbelt enorm, sich keinen Fehler leisten zu dürfen“, sagt die Abiturientin. „Je mehr Druck ich spüre, desto besser spiele ich. Das ist es, was ich als Torhüterin so liebe, diese entscheidende Rolle.“ Nach der Schule will sie sich um ein Stipendium an einem College in den USA bemühen, um Studium und Fußball so zu verknüpfen. Zu kicken begann Dorranai bereits als kleines Mädchen. „Ich habe im Kindergarten mit den Jungs gekickt. Das hat so viel Spaß gemacht, dass ich 2009 in den Verein zu Hertha 03 gegangen bin.“ Anfangs war sie auf allen Positionen einsetzbar. „Aber das Torwartspiel liebe ich besonders. Man kann da so viel fliegen.“

Dem Nationalteam gilt ihre besondere Liebe aufgrund der familiären Bindungen. Dorranais Vater war einst geflüchtet. In Berlin geboren und aufgewachsen war sie selbst noch nie in Afghanistan, ist aber stolz, für die Heimat der Eltern zu spielen. „Wir geben den Frauen dort mit unserer Mannschaft sehr viel Hoffnung. Und dieses Gefühl ist unglaublich“, sagt sie. Die Fußballfrauen stünden für ein freies und selbstbestimmtes Leben. Die über verschiedene Kontinente verstreute Mannschaft sei wie eine große Familie. „Wir verstehen uns alle als Schwestern, sind alle miteinander in Kontakt und motivieren uns gegenseitig aus der Ferne.“

Dorranais Vorbild ist Spaniens Torwart-Legende Iker Casillas. Im Nationalteam steht die Berlinerin noch nicht ganz an erster Stelle. Aber die Rolle als Nummer zwei will sie gerne ändern. Bislang verläuft die Karriere steil: 2015 bei einem Lehrgang in den Niederlanden für gut befunden, 2016 in Kalifornien den Eindruck bestätigt. Zu Jahresbeginn die ersten Länderspiele. Afghanistans US-Torwarttrainerin Haley Carter bezeichnet die Berlinerin als riesiges Talent.

Futsal auf den Malediven

Etwas andere Herausforderungen erleben derzeit Mina Ahmadi und Manija Mir in Hamburg bei ihrem Verein Bergedorf 85. Dort fehlten die beiden, zuletzt gemeinsam im Oktober 2016 in Kalifornien beim afghanischen Lehrgang zusammen, nämlich lange. Manija erlebte aufgrund eines Kreuzbandrisses eine Zwangspause. Jetzt ist die Zeit an Krücken vorbei. Die 20-Jährige spielt wieder, hat in der Saisonvorbereitung auch schon die ersten Tore geschossen.

Mina Ahmadis Comeback ist fußballerischer Reisefreude geschuldet. Mehrere Monate lang spielte sie Futsal auf den Malediven. Kaum wieder zu Hause ging es weiter nach Texas zu den TTI Bluebonnets aus Houston für die Saison in der Womens Professional League (WPSL). Bis ins nationale Viertelfinale sind sie dort vorgestoßen.

„Ein tolles Erlebnis. Die Monate in den USA haben mir fußballerisch, von der Professionalität und von der Mentalität unheimlich viel gebracht“, erzählt Ahmadi. „Einen so stark ausgeprägten Mannschaftsgeist habe ich noch nie zuvor erlebt. Wie wir als verschworener Haufen für einander eingestanden und gekämpft haben, ist unglaublich. Obwohl wir uns nicht kannten, sind wir total eng zusammen gewachsen und haben Erfolge gefeiert, nicht nur einmal ausweglose Rückstände umgedreht. Das war sensationell“, schwärmt die Hamburgerin, die im Oktober ein Sportmanagement-Studium beginnt. „Ich hoffe, dass ich jetzt alle meine Erfahrungen in mein Heimatteam einbringen kann. Darauf freue ich mich. Endlich bin ich mal voraussichtlich eine ganze Saison für die Mädels da.“ Ahmadi betont das, weil sie  zuvor schon oft aufgrund von Blessuren fehlte. Ihre Sprunggelenksprobleme aus Texas sind inzwischen überwunden. „Die Saison kann losgehen. Ich hoffe jetzt mit Bergedorf auf eine vordere Platzierung in der Landesliga. Das traue ich uns zu.“

Unverändert gehen derweil Mariyam und Shabnam Ruhin beim ESV Einigkeit Wilhelmsburg in die neue Hamburger Oberliga-Saison. Afghanistans Teamchefin Khalida Popal blickt bereits weiter voraus. „Ich hoffe, dass ich meine fünf deutschen Mädels alle im Oktober in Hongkong begrüßen kann. Möglicherweise gibt es dort auch Länderspiele.“ Die beiden Ruhin-Schwestern und Manija Mir hatte sie zuletzt im Juli beim Turnier einer Flüchtlingshilfe in Berlin getroffen.

Mit den Ruhins hatte Manija übrigens ab 2013 gemeinsam für Wilhelmburg gespielt, bevor sie zur vergangenen Saison zum Ahmadi-Team wechselte. Begonnen mit dem Kicken hatte Mir in der Jugend des FC St. Pauli. Auch ihr bedeutet die afghanische Community viel. „Da habe ich meine Wurzeln. Das sind meine Leute, die das Leben so schön und lebenswert machen. Endlich bin ich wieder zurück“, bejubelte sie ihr Comeback vor ein paar Wochen auf ihrem Instagram-Account. Und Shabnam Ruhin jubelte zurück: „Oh yeah, baby.“