Oberligist vor der Wahl: Legat oder Abmeldung
Auf ihm ruhen die Hoffnungen in Marl-Hüls: Kult-Trainer Thorsten Legat. [Foto: imago]
Beim TSV Marl-Hüls geht es derzeit zu wie in der totalen Marktwirtschaft. Nach dem Motto „hire or fire“ stehen die Spieler der ersten Mannschaft vor der Wahl: Entweder sie verzichten auf Geld und spielen weiter oder der Verein zieht die Truppe mit sofortiger Wirkung vom Spielbetrieb aus der Oberliga Westfalen zurück. Die kleine Begleiterscheinung für den ersten Fall trägt einen prominenten Namen und steht für den Begiff „Kasalla“ – Thorsten Legat.
Vor einer Woche schlägt der Ex-Profi zum ersten Mal am Loekamp auf . Mit einer etwa halbstündigen Motivationsrede schwört Legat die Truppe auf die nächsten Spiele ein. „Ich habe den Jungs gesagt, sie sollen kämpfen, kämpfen, kämpfen. Wenn sie richtig an sich glauben, dann können sie gemeinsam eine Menge erreichen“, verrät Legat später gegenüber FUSSBALL.DE .
Von einem Engagement als neuem Chefcoach und somit der Nachfolge des vor drei Wochen von seinem Amt zurückgetretenen Fußball-Lehrer Michael Schrank will „Toto“ zu diesem Zeitpunkt noch nichts wissen. Auf das folgende Derby am vergangenen Samstag gegen den TuS Haltern bereiten sich die TSV-Kicker noch unter dem als Interimslösung eingesprungenen Spielerquartett um Kapitän Pierre Nowitzki vor. Beim 0:3 gegen den Metzelder-Klub Haltern wird Legat auch nicht auf der Marler Sportanlage gesehen.
Legat soll den Retter geben
Nun, ein paar Tage später, also die Kehrtwende. Legat soll zunächst bis zur Winterpause das Ruder übernehmen, sein Gehalt übernimmt ein Sponsor, die leere Klubkasse wird also durch den 243-fachen Bundesligaspieler nicht belastet. Warum die Spieler dennoch einen finanziellen Ausgleich schaffen sollen, erklärt der Vorsitzende des Gesamtvereins, Bertram Weh, mit falschen Versprechungen des vor fast einem Monat komplett zurückgetretenen Fußball-Vorstands. Dieser hatte wiederholt erklärt, dass der Etat für die laufende Saison gesichert sei. „Das war Augenwischerei“, sagt Bertram Weh gegenüber der Marler Zeitung . Das Geld reiche noch nicht einmal bis zum Ende der Hinrunde.
Noch vor einiger Zeit sah es beim Deutschen Amateurmeister von 1954 ganz anders aus. Als der Recycling-Unternehmer Lothar Gedenk in Marl-Hüls einsteigt, rauscht der Traditionsklub innerhalb von fünf Jahren von der Bezirksliga bis in die Oberliga hoch. Als am Ende der vorigen Saison Platz vier zu Buche steht, träumt man am Loekamp schon von der Regionalliga und Duelle mit ehemaligen Bundesligisten wie Rot-Weiss Essen, Rot-Weiß Oberhausen, Alemannia Aachen und Wattenscheid 09. Doch im April dieses Jahres steht plötzlich die Steuerfahndung vor der Tür, mit der Abrechnung der Spielerentschädigungen scheint nicht alles glatt zu laufen. Seitdem ist Unruhe in Marl-Hüls, und spätestens als Gedenk die Brocken hinschmeißt, steht das Kartenhaus vor dem Zusammenbruch.
Nun soll also ausgerechnet ein Trainer der Retter sein, der bei seinem Engagement beim früheren Zweit- und heutigen Landesligisten FC Remscheid ebenfalls reichlich Schlagzeilen produziert hatte. Es folgten Dauerauftritte im Boulevard-Fernsehen, vom „Dschungelcamp“ über „Bauer sucht Frau“ bis zum „Promiboxen“.
Nach seinem ersten Auftritt in der Kabine als Motivationsredner kann sich die Mannschaft um Julian-Draxler-Kumpel Pierre Nowitzki zwar Legat als Trainer vorstellen, aber das ist noch vor der Ansage durch den aktuellen Vorstand: „Kasalla“ geht nur, wenn ihr Abstriche macht und wir bis zur Winterpause durchhalten, um dann Möglichkeiten zu suchen, dauerhaft weiterzumachen. Falls die Spieler aber nicht zustimmen, will der TSV seine Mannschaft aus der Oberliga Westfalen zurückziehen – und bereits zum Auswärtsspiel bei Arminia Bielefeld II am Sonntag nicht mehr antreten. Nowitzki und Co. dürften dann sofort zu anderen Klubs wechseln und wären dort auch gleich spielberechtigt, wenn der TSV seinen Senioren-Spielbetrieb komplett einstellt, inklusive der zweiten Mannschaft in der Kreisliga B.