Rudi Bommer: "Es kribbelt immer noch"
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Als Profi wurde Rudi Bommer zweimal in Folge DFB-Pokalsieger mit Fortuna Düsseldorf (1979 und 1980) und lief sechsmal für die deutsche Nationalmannschaft auf. Während seiner Trainerlaufbahn betreute der inzwischen 60 Jahre alte Fußball-Lehrer bereits Traditionsklubs wie Eintracht Frankfurt (Co-Trainer), den TSV 1860 München, den 1. FC Saarbrücken oder den MSV Duisburg. Seit Januar 2016 ist der 417-malige Bundesligaspieler nun Trainer beim erst 2013 gegründeten SC Hessen Dreieich. Gemeinsam mit Co-Trainer und Ex-Profi Ralf Weber sowie Eintracht Frankfurt-Legende und Bundesliga-Rekordspieler Karl-Heinz „Charly“ Körbel (602 Einsätze) als Vizepräsident und Sportvorstand führte Bommer den Verein jetzt als Meister der Hessenliga in die Regionalliga Südwest. Sportlich hätte Hessen Dreieich den Aufstieg auch schon 2017 geschafft - der Verein hatte aus finanziellen Gründen aber zunächst verzichtet.
Im FUSSBALL.DE -Interview spricht Rudi Bommer über die Gründe für den Erfolg des SC Hessen Dreieich, die Zielsetzung für das Premierenjahr in der vierten Liga, die finanzielle Unterstützung von Vereinsmäzen Hans Nolte und seine Zukunft als Trainer.
FUSSBALL.DE: Schon 2017 hätte der SC Hessen Dreieich als Meister der Hessenliga sportlich den Sprung in die 4. Liga geschafft. Der Verein verzichtete aber auf den Aufstieg in die Regionalliga Südwest. Warum, Herr Bommer?
Rudi Bommer: Das wäre finanziell und infrastrukturell nicht möglich gewesen. Wir sind darauf angewiesen, dass die Kommune Dreieich die Kosten, die mit dem Aufstieg in die vierte Liga entstehen, zumindest mitträgt und uns in allen Bereichen unterstützt. 2017 hätten wir kaum Unterstützung erhalten.
"Das ist schon eine kleine Erfolgsgeschichte."
Ihre Mannschaft wurde nun erneut Meister. Jetzt ist der Klub bereit für die Regionalliga. Was hat sich geändert?
Bommer: Die Kommune macht mit und unterstützt uns, wo sie nur kann. Jeder will mithelfen, um rechtzeitig zum Saisonstart startklar für die Regionalliga zu sein. Beim Stadionumbau sind wir zum Beispiel hervorragend im Zeitplan. Die ganze Stadt ist heiß auf die vierte Liga und das spürt man. Alle ziehen an einem Strang.
Der Verein wurde erst 2013 gegründet und spielt künftig in der vierte Liga. Wie ist der steile Aufstieg zu erklären?
Bommer: Das ist schon eine kleine Erfolgsgeschichte. Es wurden von Beginn an die richtigen Leute im Verein platziert. Auch mein Vorgänger Thomas Epp hat beispielsweise großen Anteil daran, dass die Entwicklung im Klub seit Jahren so positiv ist. Er hat klasse Arbeit geleistet und den SC Hessen Dreieich in die Hessenliga geführt. Hinzu kommt, dass wir bei der Auswahl der Spieler immer ein gutes Händchen hatten. Wir haben viele erfolgshungrige Jungs im Kader, die unter anderem bei Profiklubs wie Eintracht Frankfurt, Mainz 05 oder dem SV Wehen Wiesbaden eine hervorragende Ausbildung genossen haben.
Sie waren bisher Trainer und Sportlicher Leiter in Personalunion. Bleibt das auch in der Regionalliga so?
Bommer: Eine solche Doppelfunktion hatte ich ja beispielsweise auch schon beim MSV Duisburg und beim TSV 1860 München übernommen. Ich bin den großen Aufwand daher gewohnt und komme gut damit zurecht. Dennoch werden wir für die Sportliche Leitung möglicherweise noch jemanden verpflichten, damit ich mich mehr auf meine Arbeit als Trainer konzentrieren kann. Fest steht das aber noch nicht.
Wie lautet die Zielsetzung für das erste Jahr in der Regionalliga?
Bommer: Für uns wird es ausschließlich darum gehen, in der Liga zu bleiben. Wir gehören zu den Teams mit dem geringsten Etat und können finanziell nicht mit Vereinen wie etwa dem 1. FC Saarbrücken oder dem SV Waldhof Mannheim mithalten.
Aufgrund der Unterstützung von Mäzen Hans Nolte, der als CEO bei einer Fluggesellschaft tätig ist, mag man aber meinen, dass der SC Hessen Dreieich finanziell ebenfalls große Möglichkeiten hat. Ist dem nicht so?
Bommer: Sicherlich ermöglicht uns Hans Nolte vieles. Allerdings werden wir mit dem uns zur Verfügung gestellten Etat nicht dazu in der Lage sein, oben mitzuspielen. Aber das ist auch weder kurz- noch mittelfristig unser Anspruch. Der Klassenverbleib wäre in unserer Premierensaison bereits ein großartiger Erfolg. Dass wir zuletzt zweimal in Folge Meister in der Hessenliga geworden sind, ist auch alles andere als selbstverständlich. Uns ist es gelungen, nach dem ersten Titel fast alle Spieler zu halten - und das, obwohl wir der Mannschaft mitteilen mussten, dass wir auf den Aufstieg verzichten. Für die Jungs war das zunächst sehr deprimierend. Sie haben sich aber aufgerappelt und einen neuen Anlauf genommen. Jetzt haben sie es geschafft und sich für ihren immensen Aufwand in den vergangenen beiden Spielzeiten belohnt.
Mit Ihrem Co-Trainern Ralf Weber, Vizepräsident Karl-Heinz „Charly“ Körbel und Ihnen arbeiten einige ehemalige Bundesligaprofis von Eintracht Frankfurt im Verein. Im Kader steht dagegen seit den Abschieden von Youssef Mokhtari oder Mimoun Azaouagh aktuell kein prominenter Spieler. Ändert sich das vor Saisonbeginn?
Bommer: Nein. Erst mal wäre das finanziell nicht zu stemmen. Wir sind aber bisher ohnehin immer gut damit gefahren, uns über das Kollektiv zu definieren und nicht über einzelne Spieler. Auch Youssef Mokhtari und Mimoun Azaouagh hatten sich komplett in den Dienst der Mannschaft gestellt und keinerlei Sonderrechte beansprucht.
Wird es denn grundsätzlich einige Veränderungen am Kader geben?
Bommer: Wegen der U 23-Regelung in der Regionalliga, die besagt, dass wir bei jeder Partie mindestens vier deutsche U 23-Spieler in den Kader berufen müssen, haben wir bereits fünf talentierte Jungs zu uns gelotst. Aktuell sind wir noch auf der Suche nach einem weiteren Torhüter, der den Konkurrenzkampf mit Pierre Kleinheider und Mike Wroblewski annimmt. Auch einen Innenverteidiger wollen wir noch verpflichten.
Wer sind Ihrer Meinung nach die Titelfavoriten in der Südwest-Staffel?
Bommer: Die Liga ist insgesamt sehr stark. Es gibt viele Teams, die dazu in der Lage sind, Meister zu werden. Dazu zählen Titelverteidiger 1. FC Saarbrücken, Vizemeister SV Waldhof Mannheim, die Offenbacher Kickers und die SV 07 Elversberg . Aber auch die U 23 des SC Freiburg hat in der zurückliegenden Saison gezeigt, dass sie nicht zu unterschätzen ist. Außerdem kann ich mir gut vorstellen, dass ein Team oben mitmischt, das aktuell noch niemand auf dem Zettel hat.
Sie sind jetzt 60 Jahre alt. Wie lange wollen Sie noch Trainer sein?
Bommer: Solange es mir Spaß macht, ich mit Leidenschaft dabei bin und für den Fußball brenne, höre ich nicht auf. Es ist immer noch so, dass es bei mir vor jedem Spiel kribbelt. Wenn es dieses Kribbeln nicht mehr gibt, dann möchte ich auch kein Trainer mehr sein.