Daniel Neuhaus: Landsberger Freigeist
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54.000 Zuschauer sehen im Borussia-Park einen 2:0-Sieg der heimischen Gladbacher im Topspiel des ersten Bundesliga-Spieltags gegen Bayer Leverkusen . Auf dem Rasen feierte Florian Neuhaus den gelungenen Saisonstart der „Fohlen“ im rheinischen Derby gegen den vermeintlichen Geheimfavoriten auf die Deutsche Meisterschaft. Auf den Rängen jubelt sein Bruder Daniel. Er kickt beim Landesligisten TSV Landsberg – die neueste Folge unserer Serie „Familienbande“.
„Bei Flos erstem Bundesligaspiel musste ich natürlich unbedingt dabei sein, dafür habe ich mir extra eine halbe Woche Urlaub genommen“, erklärt der 25-Jährige strahlend und fügt hinzu: „Meinen kleinen Bruder vor über 50.000 Zuschauern ins Stadion einlaufen zu sehen, ist schon ein super Gefühl.“
Seit einem Jahr gehört Florian Neuhaus zum Kader der Borussia vom Niederrhein, allerdings war er in der vergangenen Saison an den jetzigen Bundesliga-Aufsteiger Fortuna Düsseldorf ausgeliehen. Zu Hause sind die Neuhaus' allerdings im schwäbischen Teil Bayerns, in Landsberg am Lech. Über 60 Kilometer sind es Richtung Osten nach München, knapp 40 in nördlicher Richtung nach Augsburg.
Eine beschauliche Umgebung, in der der Erstgeborene Daniel Neuhaus – und viereinhalb Jahre später auch Florian – schon als kleine Jungen nur eins im Kopf haben: Fußball. „Ich konnte kaum laufen, da war ich schon im Verein. Der Ball war immer dabei“, erzählt Daniel Neuhaus. „Mit drei Jahren war ich beim VfL Kaufering und mein Papa Christian war in den ersten Jahren und nachher noch einmal in der A-Jugend mein Trainer.“
„Technisch bin ich gut, aber ein typischer Bolzplatz-Kicker, der sich nicht gerne an taktische Vorgaben hält“
Jedes Jahr ein neues Tor vom Aldi
Als sich im Hause Neuhaus erneut Nachwuchs einstellt, werden der heimische Garten und öfter auch mal das Wohnzimmer zum Spielfeld für Eins-gegen-Eins-Duelle. „Flo und ich waren schon immer ein Herz und eine Seele – und natürlich stand bei uns der Fußball immer im Mittelpunkt. Wir haben zu Hause einen großen Garten, da wurde jeden Tag gekickt“, erinnert sich Daniel Neuhaus und führt lachend aus: „Jedes Jahr zum Geburtstag haben wir uns kleine Tore vom Aldi gewünscht, allerdings waren die nach ein paar Monaten durchgeschossen, sodass wir wieder warten mussten, bis einer von uns beiden Geburtstag hatte.“
Bei schlechtem Wetter wird in der Wohnung gekickt. Wenn etwas kaputt geht, gibt es Ärger von Mama Neuhaus. Doch die beiden Jungs sind in ihrer Fußballbegeisterung natürlich nicht zu bremsen. „Wenn wir krank waren, haben wir unser Geld gespart, um uns FIFA oder den Fußball-Manager zu kaufen. Dann wurde eben am PC oder an der Konsole gezockt“, berichtet Daniel Neuhaus.
Als Florian elf ist, werden die beiden unzertrennlichen Brüder auseinander gerissen. Der Fußball ist schuld. Während Daniel, ebenfalls talentiert, seinem Heimatverein VfL Kaufering bis in die ersten Seniorenjahre treu bleibt, wechselt Florian schon in der D-Jugend zu 1860 München. „Bei Flo konnte man ja früh sehen, was er fußballerisch draufhat. Weil er immer mit mir und meinen Freunden, also den Großen, mitspielen durfte, konnte er sich auch früh gegen Ältere durchsetzen. Dennoch war es zunächst eine schwere Zeit für die Familie, als er fast jeden Tag weg war“, bemerkt Daniel Neuhaus.
Als er 18 ist, fährt er den jüngeren Bruder mit dem Auto seines Vaters meist zum Training. Er selbst wagt auch den Sprung zu einem größeren Verein, bleibt allerdings im Ort. Vom Kreisligisten Kaufering geht es mit 21 Jahren zum TSV Landsberg, zu der Zeit Bayernligist. Da Daniel Neuhaus aber meist nur in der zweiten Mannschaft eingesetzt wird, geht er nach einem Jahr zurück nach Kaufering. Freunde von ihm gründen dort einen neuen Verein, den FC Kaufering . „Das war schön, mit meinen Kumpels zu kicken, aber ich habe gemerkt, dass die niedrige Spielklasse nichts mehr für mich ist“, schildert der bis dahin so vereinstreue Mittelfeld-Mann seinen erneuten Wechsel.
Zurück in die Heimat
Er unternimmt einen neuen Anlauf nach Landsberg und wird Stammspieler in der ersten Mannschaft des TSV. Den Abstieg in der vergangenen Saison in die Landesliga kann auch er nicht verhindern, aber in der aktuellen Runde sind die Rot-Grün-Weißen mit acht Siegen aus den ersten neun Spielen sofort an die Tabellenspitze gestürmt.
Den Traum vom Profifußball hat der Industriemechaniker Daniel Neuhaus allerdings inzwischen begraben. „Technisch bin ich gut, aber ein typischer Bolzplatzspieler, der sich nicht gerne an taktische Vorgaben hält“, verrät er augenzwinkernd und fügt an: „Ich habe im Mittelfeld als Zehner hinter den Spitzen gerne meine Freiheiten.“
Die Bundesliga erlebt er trotzdem live – eben als größter Fan seines kleinen Bruders. Nach dem Debüt gegen Leverkusen kommt Florian Neuhaus nun sogar zurück in die Heimat, um vor seinen Angehörigen zu glänzen. Die Gladbacher sind am Samstag beim FC Augsburg zu Gast – natürlich wird die ganze Familie im Stadion sitzen und den deutschen U-21-Nationalspieler anfeuern.
Und gewährt ihm Trainer Dieter Hecking sogar einen Tag Sonderurlaub, dann könnte sich Florian Neuhaus mit einem Besuch auf dem Sportplatz revanchieren: Daniel Neuhaus muss am Sonntag mit dem TSV Landsberg bei Türkspor Augsburg. Außerdem wäre da noch der jüngste Bruder Niklas. Der 14-jährige spielt natürlich auch Fußball – und selbstverständlich, wie vorher der Papa und der älteste Bruder – beim VfL Kaufering.