Rot-Weiss Essen: Pokalreise endet gegen Kiel
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Der Traditionsverein Rot-Weiss Essen hat eine weitere Sensation im DFB-Pokal verpasst. Der Tabellenzweite der Regionalliga West musste sich im Viertelfinale dem Zweitliga-Zweiten Holstein Kiel 0:3 (0:2) geschlagen geben und schrammte am ersten Einzug in ein Pokal-Halbfinale seit der Saison 1993/1994 vorbei.
Ein Doppelschlag durch Tore von Alexander Mühling (26., Foulelfmeter) und Janni Serra (28.) sowie ein später Treffer des erst kurz zu vor eingewechselten Joshua Mees (90.) bescherten dem Favoriten aus Norddeutschland erst zum zweiten Mal nach 1940/1941 den Sprung in die Runde der letzten vier Teams.
Die Essener, die in den ersten drei Pokalrunden an der heimischen Hafenstraße Arminia Bielefeld (1:0), Fortuna Düsseldorf (3:2) und Bayer 04 Leverkusen (2:1 nach Verlängerung) ausgeschaltet hatten, hielten zwar erneut über die gesamte Spielzeit gut dagegen und hatten auch über weite Strecken der Partie mehr Spielanteile. Viele hochkarätige Chancen konnten sie sich jedoch nicht erarbeiten.
RWE-Trainer Neidhart: "Stolz auf die Pokalsaison"
Dass nach dem Ausscheiden zunächst die Enttäuschung überwiegt, wollte RWE-Cheftrainer Christian Neidhart nicht verhehlen, fügte aber gleich hinzu: "Ich bin stolz auf die Jungs und stolz auf die Pokalsaison, die wir als Viertligist gespielt haben. Alles, was in den ersten drei Runden gelaufen ist, war überragend. Ab sofort liegt der Fokus auf der Meisterschaft. Es gilt, die drei Punkte am Sonntag gegen Fortuna Köln zu holen und alles für unser großes Ziel Aufstieg in die 3. Liga zu investieren."
An der Leistung seiner Mannschaft hatte der 52 Jahre alte Fußball-Lehrer nicht viel auszusetzen. "Wir sind gut ins Spiel gekommen und waren bei Standards sehr präsent. Wir standen ordentlich, haben das gut gemacht und uns auch Möglichkeiten erspielt", so Neidhart: "Dass wir durch einen Elfmeter, den ich nicht gegeben hätte, auf die Verliererstraße geraten, ist ärgerlich. Wenn das erste Gegentor nicht fällt, fällt das zweite Tor auch nicht."
Holstein Kiels Trainer Ole Werner zollte dem unterklassigen Gegner seinen Respekt. "Das Ergebnis ist klarer, als es der Spielverlauf war", gab Werner ehrlich zu. "Es war erwartet schwer, wir sind nicht gut reingekommen. Die 2:0-Führung hat uns dann natürlich gutgetan. Am Ende ist es in der einen oder anderen Szene für uns noch brenzlig geworden. Ich hatte mir phasenweise schon mehr Aktivität gewünscht. Dennoch haben wir nicht viele Chancen zugelassen. Wir haben uns hier gegen einen starken Gegner durchgesetzt, gegen den schon ganz andere Mannschaften gestrauchelt sind. Wir haben etwas Historisches für den Verein geschafft. Auch im Halbfinale müssen wir keinen Gegner fürchten."
Viertligist Essen formiert Fünferkette
Im Vergleich zur ersten Niederlage in dieser Saison (0:3 bei der U 23 von Fortuna Düsseldorf) hatte RWE-Trainer Neidhart auf drei Positionen gewechselt: Rechtsverteidiger Jonas Hildebrandt, Innenverteidiger Felix Herzenbruch und Fügelstürmer Oguzhan Kefkir starteten für Jonas Behounek, Cedric Harenbrock und Jan-Lucas Dorow. In der Hintermannschaft formierten die Gastgeber bei gegnerischem Ballbesitz eine Fünferkette, um die starke Offensive der Gäste möglichst nicht zur Entfaltung kommen zu lassen.
Lediglich zwei Veränderungen gegenüber dem 1:0 gegen den FC Erzgebirge Aue gab es bei Holstein Kiel. Niklas Hauptmann und Fabian Reese nahmen zunächst auf der Bank Platz. Dafür gehörten Finn Porath auf der offensiven Außenbahn und Janni Serra im Sturmzentrum zur Startformation. Beide sollten entscheidende Rollen spielen.
RWE startet vielversprechend
"Wir wollen als Außenseiter möglichst lange die Null halten und dafür sorgen, dass es ein echter Pokalfight wird", hatte Neidhart seinen Spielern mit auf den Weg gegeben. Dieses Konzept schien zunächst aufzugehen, denn die Essener waren von Beginn an gut im Spiel und hatten durch den aufgerückten Innenverteidiger Daniel Heber und Offensivspieler Isaiah Young einige vielversprechende Offensivaktionen.
Nachdem die Kieler zunächst nur wenig Torgefahr ausgestrahlt hatten, brachte ein Doppelschlag den Favoriten auf die Siegerstraße. Porath kam bei einem Zweikampf mit Essens Sechser Dennis Grote im Strafraum zu Fall, Schiedsrichter Markus Schmidt (Stuttgart) entschied auf Foulelfmeter. Alexander Mühling (26.) ließ sich diese Chance nicht entgehen und brachte die Gäste 1:0 in Führung.
Die Essener wirkten kurzzeitig geschockt - und kassierten prompt den zweiten Gegentreffer. Nach Vorarbeit von Fin Bartels hatte Janni Serra (28.) aus kurzer Distanz keine Mühe, auf 2:0 zu erhöhen. RWE-Kapitän Marco Kehl-Gomez hatte in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit noch die Chance zu verkürzen, sein Schuss wurde jedoch geblockt.
"Joker" Mees sticht
Nach der Pause bemühten sich die Essener weiter um den Anschlusstreffer, hatten auch die größeren Spielanteile, wurden aber im Kieler Strafraum nur selten gefährlich. Die bis dahin beste Möglichkeit hatte nach einer guten Stunde Angreifer Isaiah Young auf dem Fuß. Sein leicht abgefälschter Schuss strich aber knapp am Kieler Kasten vorbei.
Um den Druck noch zu erhöhen, wechselte Trainer Neidhart mit Cedric Harenbrock, Felix Backszat, dem früheren Kieler Steven Lewerenz, Marcel Platzek und Joshua Endres nach und nach fünf frische Offensivspieler ein. Die Rot-Weissen kamen auch durchaus zu einigen guten Abschlüssen. Holstein-Torhüter Ioannis Gelios war jedoch stets auf dem Posten, meisterte unter anderem Distanzschüsse von Harenbrock und Backszat. RWE-Torjäger Simon Engelmann, der zuvor in allen drei Pokalspielen getroffen hatte, zielte aus rund 25 Metern knapp vorbei. "Da hat uns in einigen Szenen die letzte Überzeugung gefehlt", so Christian Neidhart.
Besser machte es auf der Gegenseite Kiels "Joker" Joshua Mees (90.), der nach einem Zuspiel von Niklas Hauptmann mit einem abgefälschten Schuss den Endstand herstellte. Zu diesem Zeitpunkt war das Pokalduell zwischen der Überraschungsmannschaft aus Essen und dem FC Bayern-Bezwinger aus Kiel aber bereits entschieden.
Holstein Kiel darf sich jetzt auf die erste Halbfinalteilnahme seit 80 Jahren freuen. Der Gegner wird am kommenden Sonntag (ab 18.30 Uhr) in der von Julia Scharf moderierten ARD-Sportschau ermittelt. Losfee ist mit Bärbel Wohlleben die erste Frau, die ein "Tor des Monats" erzielte. Als Ziehungsleiter fungiert U 21-Trainer Stefan Kuntz.
Die beiden Halbfinalpartien finden am 1. und 2. Mai statt, ehe schon am 13. Mai im Berliner Olympiastadion das Endspiel steigt.