"Pipe IT": Schülerin entwickelt Schiri-App
[Foto: privat]
Samstagnachmittag auf einem Fußballplatz irgendwo in Deutschland. Zwei Jugendteams sind bereit für ihr Freundschaftsspiel, doch noch muss eine Frage geklärt werden: Wer pfeift?
Wenn nicht gerade wegen Corona der Spielbetrieb im Amateurfußball ruht, finden schließlich jedes Wochenende von Flensburg bis Garmisch-Partenkirchen tausende Fußballspiele statt, für die kein*e offizielle*r Schiedsrichter*in vom DFB angesetzt ist. Dann schlägt die Stunde der Hobby-Referees, meist der*die Trainer*in oder Betreuer*in einer der beiden Mannschaften – oder diese gucken sich ein Elternteil aus, das vertrauensselig wirkt. In sicher 99 Prozent dieser Fälle geht das gut, und die Aushilfs-Schiris verhalten sich unparteiisch, obwohl der eigene Sohn oder die eigene Tochter mitspielt.
"Ich habe das aber auch schon anders erlebt und mich sehr darüber geärgert, wenn die Neutralität nicht gewährleistet ist", wirft Jolina Hukemann ein. Die 16-Jährige ist Torhüterin beim SV Spexard , 2014 tritt sie mit neun Jahren dem Verein aus Ostwestfalen bei. "Ich habe in der Grundschule in der Pause immer mit den Jungs Fußball gespielt. Dann wollte ich auch in den Verein, aber meine Eltern waren zunächst dagegen, da ich sehr zierlich war und aufgrund von Wachstumsstörungen auch Probleme mit dem Knie hatte", berichtet die Schülerin.
Schließlich setzt sie sich gegen die Bedenken ihrer Eltern durch, ermutigt vom Großvater, der selber lange Fußball gespielt hat. Nachdem Jolina zunächst im Feld anfängt, wechselt sie bei den Mädchen des SV Spexard vom Sturm in den Kasten. "Ich glaube, ich habe in dem ganzen Jahr kein einziges Tor geschossen", meint Jolina Hukemann lachend.
"Ich habe den Schiedsrichter-Mangel erlebt und wollte mich nicht damit abfinden, dass es dafür keine Lösung geben sollte"
Eine Riesin ist sie bis heute nicht, eher im Gegenteil: Mit 1,60 Metern ist sie für eine Keeperin eher klein gewachsen. Auch deshalb blieb es wohl bei ihrem Wechsel nach Bielefeld vor zwei Jahren bei einem kurzen Abstecher, denn nach einem Jahr bei der Arminia kehrte sie nach Spexard zurück.
App-Idee in der Nacht
Dafür hat die Teenagerin, die bis vor zwei Jahren auch selbst als Schiedsrichterin wirkte, aber große Ideen. "Ich habe ja mitbekommen, dass es einen Schiedsrichter-Mangel gibt und wollte mich nicht damit abfinden, dass es dafür keine Lösung geben sollte", erklärt die Schülerin. Es müsse doch eine Möglichkeit geben, wie sich Vereine und Schiedsrichter*innen unkompliziert vernetzen können, wenn gerade mal wieder ein*e Spielleiter*in fehlt. So war es zum Beispiel bei einem Freundschaftsspiel gegen den FSV Gütersloh , das haushoch verloren ging und in dem kein*e offizielle*r Spielleiter*in anwesend war. "Dann hatte ich tatsächlich irgendwann nachts einen Einfall: Pipe IT!"
So heißt die Anwendung, die Jolina Hukemann zusammen mit einem Programmierer entwickelt. Noch ist sie deshalb in den gängigen App-Stores nicht verfügbar, aber das ist wegen des pandemiebedingt ruhenden Spielbetriebs im Amateurfußball auch gerade nicht so schlimm. So nutzt sie die Zeit, um ihr Projekt den Vereinen zunächst in ihrer Umgebung im Kreis Gütersloh vorzustellen. "Ich schreibe die Vereine an und erkläre, worum es bei 'Pipe IT' geht. Falls keine Rückmeldung kommt, rufe ich dann auch mal an", verrät sie ihr Engagement.
Damit sich genügend Personen auf "Pipe IT" als potenzielle Spielleiter*innen registrieren, müsse die Anmeldung barrierearm sein. Ist die Datenbank irgendwann einmal gut gefüttert, sollen Vereine über die App unkompliziert und schnell einen Schiedsrichter oder eine Schiedsrichterin aktivieren können, sofern kein offizieller Referee vom DFB angesetzt ist – oder dieser vielleicht mal kurzfristig ausfallen sollte.
In nächster Zeit will Jolina Hukemann auch selbst wieder zur Pfeife greifen, aber zuletzt hatte sie keine Zeit dafür. Die junge Gründerin ist auf ein Wirtschaftsgymnasium gewechselt, wo ihre Interessen stärker gefördert werden als auf der vorherigen Schule. "Ich möchte mehr über BWL, VWL und Rechtsprechung lernen, das wird auf dem 'normalen' Gymnasium ja nur am Rande behandelt", sagt sie. Eine Überfliegerin in der Schule sei sie allerdings nicht, auch nicht in Mathe. "Und Programmieren habe ich auch noch nicht gelernt, außer als wir im IT-Kurs in der siebten Klasse da einmal reingeschnuppert haben", meint sie lachend.
Ideenwettbewerb von Hertha BSC
Daher gibt sie die weitere technische Umsetzung ihrer App gerne in professionelle Hände. Da kommt es gerade recht, dass sie mit "Pipe IT" schon im fernen Berlin gepunktet hat. Nachdem sie bereits als 14-Jährige beim bundesweiten Wettbewerb "Start-up-Teens" unter 2.500 Teilnehmenden den zweiten Platz in der Kategorie Entertainment & Games belegt hatte, räumte sie erneut in der Hauptstadt ab. Die Stiftung des Bundesligisten Hertha BSC hatte einen Ideenwettbewerb rund um den Fußball ausgerufen – "und meine Mentorin hat mich dazu ermuntert, mich dort mit 'Pipe IT' zu bewerben", berichtet Jolina Hukemann. Gute Idee, denn das kleine Start-up aus Ostwestfalen erhält nun Unterstützung durch eine Agentur, um die App weiter zu entwickeln.
In der Zwischenzeit kann sich Jolina Hukemann weiteren Zielen widmen. Sie engagiert sich bei den "Morgenmachern" der Stadt Gütersloh für den digitalen Aufbruch, außerdem ist sie politisch in der "Jungen Union" engagiert. "Ich würde gerne Politikerin werden, da kann man viel bewegen", weiß die junge Gründerin.
Möglichst noch vorher aber soll die Rückkehr auf den Fußballplatz anstehen: im Tor des SV Spexard und als Schiedsrichterin, die interessierte Vereine einfach per App für ein Spiel aktivieren können.