Torhungrig |19.02.2022|12:15

Schalke 04: Mit 19 Jahren zum Lieblingsklub

Niklas Castelle (r.): "Ich selbst würde sagen, dass ich ein Instinktspieler bin."[Foto: FC Schalke 04]

Niklas Castelle lebt seinen Traum. Der 19 Jahre alte Angreifer, der bis zur Winterpause noch in der Landesliga für seinen Heimatklub VfL Senden mit großem Erfolg auf Torejagd gegangen war, stürmt jetzt drei Spielklassen höher für die U 23 des FC Schalke 04 in der Regionalliga West. Im FUSSBALL.DE-Interview spricht Castelle über seinen sprunghaften Aufstieg und die Torjägerkanone für alle.

FUSSBALL.DE: Wie fühlt sich Ihr rasanter Aufstieg an, Herr Castelle?

Niklas Castelle: Sehr gut, denn ich bin von einem Lieblingsklub zum anderen gewechselt. Als Schalke-Fan ist es eine Ehre und etwas ganz Besonderes für mich, für S04 auflaufen zu dürfen. Jetzt in der Regionalliga für die U 23 zu spielen, ist großartig.

Wie würden Sie die größten Unterschiede beschreiben?

"Als Schalke-Fan ist es eine Ehre und etwas ganz Besonderes für mich, für S04 auflaufen zu dürfen"

Castelle: Der größte Unterschied ist das Tempo. Zwar wird auch in der Landesliga guter Fußball gespielt, aber man hat bei seinen Aktionen doch deutlich mehr Zeit. In der Regionalliga bekommt eine Mannschaft schon Probleme, wenn nur ein Zahnrad nicht genau ins andere passt. Fehler werden in der Regel sofort bestraft. Hinzu kommt natürlich die körperliche Belastung. In Senden haben wir dreimal pro Woche trainiert, bei Schalke stehe ich jetzt fast jeden Tag auf dem Platz. Daran musste ich mich erst gewöhnen.

Wie kam es zum Kontakt mit Schalke 04?

Castelle: Es gab einige Angebote aus der Regionalliga. Es war aber mein großer Wunsch, für Schalke 04 zu spielen. Deshalb habe ich mich sehr gefreut, dass Scout Manfred Dubski mehrfach bei unseren Spielen war und ich dann auch zum Probetraining eingeladen wurde. Beim ersten Mal im September waren meine Leistungen dann nicht so prickelnd, sodass ich schon dachte, es wird eher nichts mehr. Als ich dann aber im Januar direkt für 14 Tage mittrainieren durfte, war ich längst nicht mehr so nervös. Das hat sich positiv bemerkbar gemacht.

In mehreren Trainingseinheiten und Testspielen durften Sie sich beweisen. Wann war Ihnen klar, dass es klappen wird?

Castelle: Da gab es keinen bestimmten Zeitpunkt. Aber ich war sehr schnell in das Team integriert, habe mich von Beginn an sehr wohl gefühlt und mir auch bewusst keinen Druck gemacht. Es war dann irgendwann klar, dass auf beiden Seiten Interesse an einer Zusammenarbeit besteht. Für mich war es überwältigend, den Vertrag zu unterschreiben.

Mit 24 Toren in nur 16 Spielen haben Sie in Ihrer ersten richtigen Seniorensaison für den VfL Senden eine herausragende Hinserie gespielt. Mal ehrlich: Wie sehr waren Sie selbst von dieser Ausbeute überrascht?

Castelle: Obwohl ich schon in der zurückliegenden Spielzeit als A-Jugendlicher in die erste Mannschaft hochgezogen worden war, kam dieser Lauf für mich auf jeden Fall überraschend. Noch während der Vorbereitung lief es längst nicht so gut, auch wenn ich damals schon das eine oder andere Tor erzielt habe. Deshalb habe ich überhaupt nicht damit gerechnet, in der Meisterschaft so regelmäßig zu treffen.

Im Rennen um die "Torjägerkanone für alle" rangieren Sie bundesweit in der 7. Liga nach wie vor in den Top Ten. Mal augenzwinkernd gefragt: Ist es ein kleiner Wermutstropfen Ihres Wechsels, dass Sie die Torjägerkanone - zumindest in dieser Saison - jetzt nicht mehr gewinnen können?

Castelle: Natürlich. (lacht) Aber Spaß beiseite: Ein Vertrag bei Schalke 04 ist auch nicht schlecht. Ich würde sagen, es ist ein ganz guter Tausch für mich.

Was halten Sie grundsätzlich von dieser Aktion, die das Fachmagazin kicker und FUSSBALL.DE in Kooperation mit Volkswagen ins Leben gerufen haben?

Castelle: Das ist definitiv eine sehr schöne Idee und eine super Sache. Die Aktion macht den Amateurfußball noch interessanter und belohnt die sportlichen Leistungen.

Nur noch sehr selten schaffen Spieler, die nie in einem Nachwuchsleistungszentrum ausgebildet wurden, den Sprung in den Profibereich. Warum könnten Sie eine Ausnahme sein?

Castelle: Ich glaube, es hat mir bislang sehr gutgetan, nicht in ein bestimmtes Schema passen zu müssen. Ich habe zwar von der U 12 bis zur U 14 beim SC Preußen Münster gespielt, war damals aber noch sehr klein und schmächtig, konnte mich nicht durchsetzen. Ich bin deshalb zu meinem Heimatverein nach Senden zurückgekehrt, konnte dort befreit aufspielen, mich frei entfalten und auch mal verrückte Dinge versuchen.

Würden Sie sich als Straßenfußballer bezeichnen?

Castelle: Diesen Begriff habe ich jetzt schon einige Male im Zusammenhang mit meiner Spielweise gehört. (lacht) Ich selbst würde sagen, dass ich ein Instinktspieler bin. Ich kann oft ganz gut erahnen, wie sich eine Spielszene entwickelt und wohin der Ball kommt.

Ist der Sprung in den Profifußball jetzt Ihr erklärtes Ziel?

Castelle: Wer bei einem so großen Klub wie Schalke 04 in der U 23 spielt, der sollte dieses Ziel verfolgen. Auch ich werde alles dafür tun, um mich mit guten Leistungen zu empfehlen. Dass in den vergangenen Jahren viele Spieler bei Schalke den Sprung aus der zweiten Mannschaft in den Profikader geschafft haben, war definitiv auch ein Grund dafür, mich für Schalke 04 zu entscheiden.

Gleich im ersten Pflichtspiel nach der Winterpause gehörten Sie beim 4:1 in Mönchengladbach zur Startformation und waren auch direkt als Torschütze erfolgreich. Wie haben Sie Ihr Debüt und Ihre Torpremiere in der Regionalliga erlebt?

Castelle: Das war Wahnsinn. Nach dem Spiel konnte ich es selbst nicht richtig glauben. Weil bei uns zahlreiche Jungs gefehlt hatten, waren wir mit nur 13 Spielern angereist, ich wurde direkt ins kalte Wasser geworfen. Meine gesamte Familie war im Stadion. Schöner hätte ich mir meinen Einstand nicht vorstellen können.

Wie sind die Reaktionen in Ihrem Umfeld ausgefallen?

Castelle: Mein Handy glühte auf jeden Fall nach dem Spiel. Es waren unzählige Nachrichten und Anrufe, natürlich auch von meinen bisherigen Teamkollegen. Sogar mein Vater hat mir verziehen, dass ich gegen die U 23 seines Herzensvereins getroffen habe.

Ihr Bruder Tim kickt weiterhin für den VfL Senden. Haben sich dort alle über Ihren Wechsel gefreut oder gab es auch negative Stimmen?

Castelle: Da gab und gibt es keinerlei Missgunst, ganz im Gegenteil. Die Jungs, von denen viele zu meinen besten Freunden gehören, haben mir alles Gute und viel Glück gewünscht. Eine bessere Rückendeckung kann es nicht geben. Ich werde dem Team in der Rückrunde selbstverständlich auch die Daumen drücken und immer wieder am Platz vorbeischauen, wenn es zeitlich möglich ist.

Wo können oder müssen Sie sich noch verbessern?

Castelle: Grundsätzlich ist in allen Bereichen Luft nach oben, unter anderem bei der Athletik und beim Spiel gegen den Ball. Ich arbeite definitiv daran, mich weiterzuentwickeln.

Haben Sie ein Vorbild?

Castelle: Ich finde alle Fußballer gut, die etwas Besonderes mitbringen. Von daher bin ich sicherlich ein Fan von Lionel Messi. In diesem Zusammenhang jedoch davon zu sprechen, er wäre mein Vorbild, wäre vermessen.

Die U 23 des FC Schalke 04 ist mit drei klaren Siegen und einem Remis gut in das neue Jahr gestartet. Was haben Sie sich mit dem Team für den Saisonendspurt vorgenommen?

Castelle: Wir wollen so weitermachen wie in den zurückliegenden Partien, mutig nach vorne spielen und das Optimale herausholen. Wenn wir an die zuletzt gezeigten Leistungen anknüpfen können, werden wir uns in der Tabelle noch ein wenig verbessern.

Welche Pläne verfolgen Sie außerhalb des Fußballs?

Castelle: Ich habe vor einem halben Jahr in Senden eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann begonnen, die ich bis Ende 2023 abschließen möchte. Mit dem Fußball lässt sich das aktuell sehr gut verbinden. Die Freizeit ist dadurch zwar sehr knapp bemessen, aber für seine Träume muss man halt auch Opfer bringen.