Francis: Von Ahlen nach Sierra Leone
[Foto: Fotos: SLFA / RonnyKOD / Henning Wegner, Collage: FUSSBALL.DE]
Er ist erst 19 Jahre jung, aber in seinem Leben schon ganz schön viel herumgekommen. In Bradford aufgewachsen und in der Jugend bei Bradford City sowie Leeds United ausgebildet, ist Daniel Jacoub Tamoui Francis im Februar 2021 im westfälischen Ahlen gelandet. Inzwischen ist er sogar Nationalspieler.
Weil seine Mutter aus Tübingen kommt und sein Vater aus Sierra Leone stammt, er aber in England geboren ist, besitzt der Youngster gleich drei Staatsbürgerschaften. Mit der Nationalmannschaft der "Leone-Stars" traf der Verteidiger gerade in der Qualifikation zum Afrika-Cup auf die "Super Eagles" aus Nigeria sowie Guinea-Bissau. Im Interview erzählt er von Duellen gegen Weltstars, Büffeln an der Uni in London und heiße Partien in der vierten deutschen Liga.
FUSSBALL.DE: Daniel Francis, wie sind die Länderspiele gegen Nigeria und Guinea-Bissau gelaufen?
Daniel Francis: In Nigeria haben wir eine gute Leistung gezeigt, aber leider 1:2 verloren. Gegen solch eine Mannschaft mit Spielern wie Victor Osimhen vom SSC Neapel oder Samuel Chukwueze vom FC Villarreal dürfen wir allerdings nicht unbedingt damit rechnen, Punkte zu holen. Anders sah es gegen Guinea-Bissau aus, da hätten wir unbedingt gewinnen müssen. Wir haben zwar 0:2 zurückgelegen, haben uns aber dann zum 2:2 herangekämpft und noch einen Elfmeter verschossen.
"Es ist eine riesengroße Ehre für mich, für das Heimatland meines Vaters aufzulaufen"
Sie selbst sind in den beiden Partien nicht zum Zuge gekommen. Enttäuscht?
Francis: Natürlich, denn wenn man dabei ist, möchte man auch spielen! In erster Linie bin ich aber sehr stolz, erneut in den Kader der Nationalelf berufen worden zu sein. Das ist sicher nicht selbstverständlich, denn ich bin ja noch sehr jung und spiele außerdem in keiner Profiliga.
Zwei Einsätze für die "Leone-Stars" haben Sie aber bereits hinter sich. Ein unbeschreibliches Gefühl, oder?
Francis: Auf jeden Fall! Als ich letztes Jahr im August zum Freundschaftsspiel in Äthiopien eingeladen worden bin, konnte ich es zunächst kaum glauben. Wenn mir das einer vor zwei Jahren gesagt hätte, dass ich 90 Minuten gegen Äthiopien spielen würde, hätte ich ihn vielleicht ausgelacht. Danach bin ich noch dreimal berufen worden, im Oktober in den Spielen im Südsudan und in Gambia aber nicht eingesetzt worden, dann aber wieder im November daheim gegen die Komoren. Es ist einfach eine riesengroße Ehre für mich, für das Heimatland meines Vaters aufzulaufen, und ich hoffe, dass ich mich für weitere Nominierungen empfehlen kann.
Wie geht es denn in der Regionalliga und in Ahlen mit Ihnen weiter? Die Saison ist beendet und Ihr Vertrag läuft aus.
Francis: Im Moment ist noch alles offen. Es ist noch nichts entschieden.
Wie kamen Sie überhaupt nach Ahlen?
Francis: Als ich bei Bradford City aus der U 19 kam, hat mir der Verein leider keinen Profivertrag angeboten. Und da Bradford keine U 23 hat, musste ich mir etwas anderes suchen. Mein Berater hat mir dann gesagt: "Du hast doch einen deutschen Pass, also warum nicht nach Deutschland wechseln?" Das habe ich getan und habe in Ahlen wertvolle Erfahrungen in meinem ersten Seniorenjahr sammeln dürfen. Die Regionalliga West ist sehr stark, da muss man sich als 18- oder 19-Jähriger erst einmal durchsetzen können.
Sie haben schon sowohl rechter als auch linker Verteidiger und im Abwehrzentrum gespielt. Ist die Vielseitigkeit in der Defensive Ihre größte Stärke?
Francis: Das müssten andere beurteilen, aber es stimmt schon, dass ich nicht auf eine bestimmte Position festgelegt bin. In der Jugend habe ich auch mal im Mittelfeld gespielt, zum Beispiel mit Bradford im FA Youth Cup gegen Chelsea. Bei denen waren damals unter anderem Tino Livramento, der jetzt für Southampton in der Premier League spielt, und Jon Russell, der jetzt bei Huddersfield kickt, dabei.
Sie sind nicht allein auf den Fußball fixiert, sondern sind in London per Fernstudium im Fach Internationale Beziehungen eingeschrieben. Wie läuft es da so?
Francis: Ganz gut! Ich habe jetzt das erste Studienjahr hinter mir und die entsprechenden Prüfungen erfolgreich absolviert. Jetzt gönne ich mir noch ein paar freie Tage, denn wegen der Länderspiele mit Sierra Leone war meine Saison ja etwas länger als üblich. Danach werde ich den Fokus ganz klar auf den Fußball legen und hoffe, dass ich auch beim Studium weiterhin gut mitkomme.