Neuer Trainer |09.12.2022|21:30

Düren-Trainer Schommers: Bocholt statt Bayern

Boris Schommers: "Ich bin von dem Projekt überzeugt".[Foto: IMAGO / Dünhölter SportPresseFoto]

SC Wiedenbrück und 1. FC Bocholt statt Borussia Dortmund oder FC Bayern München: Als neuer Cheftrainer soll Boris Schommers den Aufsteiger 1. FC Düren in der Regionalliga West zum Klassenverbleib führen. In der Saison 2018/2019 betreute der 43 Jahre alte Fußball-Lehrer den 1. FC Nürnberg in der Bundesliga. Im FUSSBALL.DE-Interview spricht Schommers über seine Zeit beim "Club" und die neue Aufgabe.

FUSSBALL.DE: Wie kam es zu Ihrem Wechsel zum 1. FC Düren, Herr Schommers?

Boris Schommers: Die Gespräche mit den handelnden Personen rund um den Präsidenten Wolfgang Spelthahn waren sehr angenehm. Ich bin von dem Projekt überzeugt, möchte mithelfen, dass die junge Reise des 1. FC Düren weitergeht. Bislang sind wir aber nur sportlich in der Regionalliga angekommen.

Wie meinen Sie das genau?

"In den nächsten drei bis fünf Jahren will der Klub zumindest an das Tor der 3. Liga anklopfen"

Schommers: Das Vereinsgelände rund um die Westkampfbahn in Düren ist noch nicht regionalligatauglich. Deswegen mussten wir beispielsweise zuletzt für das Derby gegen Alemannia Aachen auf die Platzanlage des FC Wegberg-Beeck ausweichen. Infrastrukturell fehlt für die Regionalliga noch einiges, weil etwa unser Gästeblock nicht ausreichend für größere Fanmassen ausgerichtet ist. Viele helfende Hände sind mit Herzblut dabei, wollen Schritt für Schritt den Umbau des Stadions vorantreiben, damit wir in der nächsten Saison auch solche Spiele zu Hause austragen können.

Was hat Sie an diesem Job gereizt?

Schommers: Im Verein herrscht nach der Neugründung vor fünf Jahren eine große Aufbruchstimmung. In den nächsten drei bis fünf Jahren will der Klub zumindest an das Tor der 3. Liga anklopfen. Dafür brauchte es jemanden, der vorangeht und das gesamte Projekt auch neben dem Platz mitgestaltet. Diese Aufgabe fand ich sehr spannend. Primär ist es aber als Trainer zunächst meine Aufgabe, den Klassenverbleib sicherzustellen.

Zuvor waren Sie in der Bundesliga beim 1. FC Nürnberg und in der 3. Liga beim 1. FC Kaiserslautern tätig. Ist die Regionalliga West nicht ein Rückschritt?

Schommers: Sportlich gesehen ist es auf den ersten Blick sicherlich ein Rückschritt. Wenn man das Privileg hatte, in der Bundesliga oder 3. Liga bei großen Traditionsvereinen arbeiten zu dürfen, dann ist das sicherlich so. Aber ich bin auch Realist. Ich hatte einige Angebote, war aber insgesamt zwei Jahre raus aus dem Geschäft, wollte unbedingt wieder die Fußballschuhe anziehen und mit einer Mannschaft arbeiten. Außerdem habe ich meinen Lebensmittelpunkt in den oberbergischen Kreis nach Wiehl verlegt, das nur etwas über 100 Kilometer entfernt liegt, so dass ich meinen achtjährigen Sohn Frederik nicht wieder komplett aus den Augen verliere.

In der höchsten Spielklasse haben Sie den 1. FC Nürnberg unter anderem gegen Borussia Dortmund und den FC Bayern München betreut. Welche Erinnerungen haben Sie daran?

Schommers: Mein erstes Bundesligaspiel als Cheftrainer war vor ausverkauftem Haus gegen den damaligen Spitzenreiter Borussia Dortmund. Als Tabellenvorletzter hatten wir nach zuvor 14 Spielen ohne Sieg dem Favoriten ein torloses Unentschieden abgetrotzt. Bayern München hatten wir vor heimischem Publikum am Rande einer Niederlage. In der Nachspielzeit verschießt Tim Leibold einen Elfmeter und wir mussten uns mit dem 1:1 zufriedengeben. Bei einem Sieg hätten wir sechs Spieltage vor Schluss eine bessere Ausgangsposition im Kampf um den Klassenverbleib gehabt, sind am Ende abgestiegen. Am letzten Spieltag feierte dennoch das gesamte Stadion, die FCN-Fans verabschiedeten die Mannschaft mit großem Applaus. Die Menschen hatten gespürt, dass wir alles reingeschmissen hatten. Dass man als Absteiger gefeiert wird, ist heutzutage nicht selbstverständlich und wird mir immer in Erinnerung bleiben.

Waren Sie im Vorfeld nervös?

Schommers: Natürlich ist man angespannt, wenn man plötzlich ganz vorne in der Verantwortung steht. Ich war aber komplett fokussiert, befand mich in einem Tunnel und habe versucht, alles um mich herum auszublenden.

Seit Ihrem vorherigen Engagement beim 1. FC Kaiserslautern sind etwas mehr als zwei Jahre vergangen. Wie haben Sie die Zwischenzeit nutzen können?

Schommers: Als junger Trainer hatte ich mich nach meinen Stationen beim 1. FC Nürnberg und 1. FC Kaiserslautern selbst hinterfragt und die Zeit zur Selbstreflexion genutzt. Eine gewisse Zeit war notwendig, um ein wenig herunterzukommen und frische Kräfte zu sammeln. Als nach sechs oder sieben Monaten die ersten Angebote vorlagen, kribbelte es wieder. Ich war dann aber immer einer von mindestens 60 Trainern, die zur Auswahl standen. Ich musste die Entscheidungen gegen mich akzeptieren, weil einige Kandidaten dabei waren, die eine ähnliche oder bessere Vita vorzuweisen hatten. Jetzt bin ich sehr froh, in Düren neue Herausforderung angehen zu können.

Ihr Start ging mit einem 0:3 gegen den SC Wiedenbrück daneben. Mit dem Einzug in das Mittelrheinpokal-Viertelfinale und vier Punkten aus den beiden zurückliegenden Begegnungen zeigt die Tendenz jetzt aber nach oben. Wo haben Sie angesetzt?

Schommers: Ich habe die Grundtugenden wie Einsatz- und Laufbereitschaft, die im Kampf um den Klassenverbleib unabdingbar sind, von der Mannschaft eingefordert. Bei meinem Debüt in Wiedenbrück hatte ich nicht den Eindruck, dass das bereits bei den Spielern in den Köpfen angekommen ist. Das hat mich total verärgert, weil wir schlechtere Lauf- und Zweikampfwerte hatten. Danach war eine deutliche Steigerung zu erkennen.

Aktuell beträgt der Vorsprung auf die Gefahrenzone drei Punkte. Wie schätzen Sie die Situation ein?

Schommers: Wir wollen auf einem Nichtabstiegsplatz überwintern und uns eine gute Ausgangsposition für das neue Jahr erarbeiten. Die Mannschaft macht einen guten, willigen und wissbegierigen Eindruck. Dennoch sind in der Winterpause kleinere Veränderungen am Kader möglich.

Ihr Vertrag ist bis Juni 2025 gültig. Wo wollen Sie bis dahin mit dem 1. FC Düren hin?

Schommers: Der Kampf um den Klassenverbleib ist aktuell das einzige Ziel, mit dem ich mich beschäftige. Wir werden alles daransetzten, damit wir auch in der nächsten Saison weiter in der Regionalliga spielen.

Im zweiten Pflichtspiel nach der Winterpause geht es zur U 21 des 1. FC Köln. Es wird eine besondere Partie für Sie, oder?

Schommers: Das kann und will ich nicht bestreiten. Der 1. FC Köln ist nach wie vor mein Herzensverein. Ich habe 17 Jahre in Köln gelebt und durfte zwölf Jahre für den Verein arbeiten. Mit der U 17 des 1. FC Köln wurde ich Deutscher B-Junioren-Meister. Kevin McKenna war mein Co-Trainer beim 1. FC Kaiserslautern und arbeitet jetzt im Trainerteam von FC-Cheftrainer Steffen Baumgart. Mal sehen, wie es sich anfühlt, wenn ich im Kölner Franz-Kremer-Stadion diesmal als Gast durch die erste Tür rechts gehen muss und nicht - wie ich es zehn Jahre zuvor gemacht hatte - durch die zweite Tür marschiere.