Mit Weitsicht|06.10.2024|09:15

Annabel Jäger: Cheftrainerin und Hospitantin

Annabel Jäger: "In der Liga wollen wir auf jeden Fall unter den Top 5 mitspielen und Anschluss nach oben halten."[Foto: Foto: Imago]

Mit dem VfL Wolfsburg gewann sie als Spielerin 2013 das Triple aus Champions League, Meisterschaft und DFB-Pokal, mit der U 20-Nationalmannschaft wurde sie Vize-Weltmeisterin: Die Rede ist von Annabel Jäger (30), die auch als Cheftrainerin von Arminia Bielefeld in der Frauen-Regionalliga West ehrgeizige Ziele verfolgt. Im FUSSBALL.DE-Interview spricht sie auch über eine Hospitanz im eigenen Klub.

FUSSBALL.DE: Seit wann war Ihnen klar, dass Sie Trainerin werden wollen, Frau Jäger?

Annabel Jäger: Tatsächlich noch gar nicht so lange. Während meiner aktiven Laufbahn dachte ich eigentlich, das wäre nichts für mich. Wenn ich nicht mehr selbst auf dem Platz stehen kann, wollte ich nicht von der Seitenlinie aus zuschauen.

Gab es dann einen besonderen Anstoß?

"Grundsätzlich wollen wir bei Arminia langfristig etwas aufbauen und nicht mit aller Macht sofort aufsteigen"

Jäger: Mein Arbeitskollege Maik Uffelmann, der viele Jahre Cheftrainer beim Landesligisten FC Kaunitz war, hatte mich damals gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, Co-Trainerin einer Männermannschaft zu sein. Ich habe schließlich zugesagt - und bin dann irgendwie auf den Geschmack gekommen. (lacht)

Welche Erfahrungen haben Sie dort gesammelt?

Jäger: Obwohl es ja "nur" die 7. Liga ist und es dort nicht so professionell zugeht wie beispielsweise bei Arminia, muss sich sagen, dass wir als Trainerteam immer viel investiert haben, um die Mannschaft bestmöglich vorzubereiten. Mit dreimal Training pro Woche und dem Spiel am Sonntag ist der Aufwand auch nicht gerade gering. Grundsätzlich hat es mir viel Freude bereitet, mit dem Team zu arbeiten. Auch der persönliche Umgang war kein Problem. Ich habe früher ja auch lange selbst mit Jungs zusammengespielt.

Warum haben Sie Ihre aktive Laufbahn schon im Alter von 26 Jahren beendet?

Jäger: Da kamen einige Faktoren zusammen. Über viele Jahre hatte ich dem Fußball alles untergeordnet. Dieses Pensum konnte und wollte ich aus beruflichen, vor allem aber auch aus familiären Gründen nicht mehr leisten. Seit der Geburt meines Sohnes vor knapp zwei Jahren befinde ich mich in Elternzeit, die Familie steht absolut an erster Stelle. Umso schöner ist es, dass es sich mit dem Trainerjob bei Arminia gut verbinden lässt.

Selbst in der Frauen-Regionalliga sind Trainerinnen noch immer eine Ausnahme. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?

Jäger: Es ist halt nach wie vor nicht so einfach, alles unter einen Hut zu bringen. Dafür bin ich ja auch ein Beispiel. Aktuell bin ich im Besitz der B-Lizenz. Um die A-Lizenz anzustreben, müsste ich viel Zeit und Geld investieren. Dafür müsste alles schon sehr gut laufen. Von daher will das gut überlegt sein. Diesen Aufwand scheuen sicherlich viele Frauen. Es stimmt, dass es nach wie vor nur wenige Trainerinnen gibt. Aber ich habe schon das Gefühl, dass sich etwas bewegt. Kyra Malinowski mit dem VfL Bochum und Aileen Poise mit dem 1. FC Union Berlin sind mit ihren Teams gerade in die 2. Frauen-Bundesliga aufgestiegen und dort sehr erfolgreich. Es wäre eine tolle Sache, wenn das Schule macht.

Auch Sie hatten als Spielerin mehr männliche Trainer. Welche Unterschiede haben Sie festgestellt?

Jäger: Im Verein waren es tatsächlich nur Männer, bei den Nationalmannschaften aber auch einige Frauen. Die Unterschiede sind sehr gering. Trainerinnen sind vielleicht ein Stück weit einfühlsamer. Entscheidend ist aber immer die fachliche Kompetenz, nicht das Geschlecht.

Wer hat Sie während Ihrer Spielerinnenkarriere besonders beeindruckt und beeinflusst?

Jäger: Dazu gehört sicherlich Maren Meinert, die mich in vielen Schritten weitergebracht hat. Es freut mich sehr, dass sie jetzt als Co-Trainerin zum Trainerteam der Frauen-Nationalmannschaft gehört. Einen sehr großen Einfluss hatte auch mein langjähriger DFB-Trainer Ralf Peter, der mir vor allem im taktischen Bereich imponiert hat. Unvergessen ist aber auch Markus Wuckel, mein Trainer bei Arminia. Mit seiner "alten Schule" mit der Überwindung des inneren Schweinehundes war er in der Lage, das Team zu verbessern.

Sie haben selbst auf dem höchsten Niveau gespielt. Wollen Sie das auch als Trainerin erreichen?

Jäger: Im Moment ist es schwierig, mir das vorzustellen. Wie schon gesagt: Ich will so viel Zeit wie möglich mit meinem Sohn verbringen. Was die Zukunft bringt, werden wir sehen. Ich versuche, meine Arbeit bei Arminia so gut wie möglich zu machen und erfolgreich zu sein. Für die Zukunft lasse ich alles offen.

Zuletzt haben Sie eine Woche lang bei Männer-Cheftrainer Mitch Kniat und der Drittligamannschaft hospitiert. Wie kam es dazu und wie waren Ihre Eindrücke?

Jäger: Ich war neugierig und hatte mir in meiner Freizeit mal ein öffentliches Training des Teams angeschaut, um neuen Input zu bekommen. Als ich dann mit Mitch ins Gespräch gekommen bin, habe ich ihn gefragt und er hat direkt zugesagt, da er selbst sehr viel von Hospitationen hält. Es war eine tolle Erfahrung, wie penibel und professionell das gesamte Trainerteam arbeitet. Das ist natürlich ein anderes Level als bei uns, allein schon durch die personelle Besetzung mit drei Co-Trainern, einem Torwart-Trainer und dem gesamten Staff.

Wie haben die Profis auf die ungewohnte Situation reagiert?

Jäger: Ich war während der Woche in sämtliche Abläufe eingebunden, war bei allen Besprechungen dabei und durfte auch das Heimspiel gegen den TSV 1860 München mit begleiten. Einen intensiven persönlichen Austausch gab es dabei innerhalb des Trainerteams, weniger mit einzelnen Spielern. Es waren aber schon einige Jungs dabei, die meinten, dass sie es gut finden, dass ich als Frau mit dabei bin.

Gibt es auch sonst einen Austausch zwischen den verschiedenen Mannschaften, Trainer*innen und Trainerteams innerhalb des Vereins?

Jäger: Im NLZ-Bereich gibt es das bereits. Wir wollen etwas aufbauen, um auch für die Frauenabteilung eine ähnliche Anbindung zu schaffen. Das ist perspektivisch sicherlich für alle Beteiligten eine sehr wertvolle Sache.

Mit Sabrina Wittmann arbeitet beim Bielefelder Ligakonkurrenten FC Ingolstadt 04 seit einigen Monaten erstmals eine Frau als Cheftrainerin im deutschen Profifußball. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Jäger: Ich hoffe auf jeden Fall, dass es eines Tages keine Ausnahme mehr ist, sondern Normalität wird, dass Trainerinnen auch im Männerfußball in so herausragenden Positionen arbeiten. Persönlich kenne ich beispielsweise Marie-Luise Eta, die in der zurückliegenden Saison beim 1. FC Union Berlin sogar in der Bundesliga zum Trainerteam gehörte und kurzzeitig Interimstrainerin war. Ich habe ihr das sehr gegönnt, weil sie ein riesiges Fachwissen besitzt und alles mitbringt, um eine sehr gute Trainerin zu sein.

Sehen Sie grundsätzlich Ihre Zukunft im Frauen- oder im Männerfußball?

Jäger: Da will und werde ich mich nicht festlegen. Ausgeschlossen ist nichts. Entscheidend ist, ob der Job mit allen anderen Interessen vereinbar ist.

Welche Ziele verfolgen Sie in dieser Saison mit den Arminia-Frauen in der Regionalliga West?

Jäger: Wir haben sehr viele junge Spielerinnen im Team, die wir weiterentwickeln und verbessern wollen. Das steht besonders im Fokus. In der Liga wollen wir auf jeden Fall unter den Top5 mitspielen und Anschluss nach oben halten.

Wegen der Aufstockung der Google Pixel Frauen-Bundesliga steigt der Meister der Frauen-Regionalliga West in dieser Saison ausnahmsweise direkt auf. Wie bewerten Sie nach dem guten Saisonstart die Chancen?

Jäger: Es ist noch zu früh, das zu beurteilen. Grundsätzlich wollen wir bei Arminia langfristig etwas aufbauen und nicht mit aller Macht sofort aufsteigen, um dann vielleicht zu einer Fahrstuhlmannschaft zu werden. Wenn wir uns Schritt für Schritt entwickeln, wäre das sicherlich nachhaltiger. Sollten wir allerdings am Saisonende tatsächlich auf Platz eins stehen, dann werden wir auch nicht Nein sagen.