Trotz Handicap|10.11.2024|14:00

Ottensens Kankowski: Spielmacher mit Prothese

Tom Kankowski spielt mit Prothese: "Daran denke ich gar nicht mehr, wenn ich auf den Platz gehe."[Foto: FC Teutonia 05 Ottensen]

Als Tom Kankowski am 15. März 2003 zur Welt kommt, fehlt ihm die rechte Hand und ein Teil des rechten Unterarms. Die körperliche Beeinträchtigung hindert den Norddeutschen nicht daran, eine Karriere im Fußball einzuschlagen. TuRa Harksheide und Norderstedter SV heißen seine ersten Stationen, ehe er mit noch nicht einmal neun Jahren zum Hamburger SV wechselt und später zum FC St. Pauli. Beim Kiezklub verbringt er auch seine ersten beiden Jahre in den Senioren, kickt in der U 23 in der Regionalliga. Seit dem 1. Juli dieses Jahres ist der Mittelfeldspieler nun für Teutonia 05 Ottensen am Ball. Im FUSSBALL.DE-Interview sagt der 21-Jährige, wie er mit dem Handicap spielen kann.

FUSSBALL.DE: Tom Kankowski, wie ist es, in der Regionalliga mit einer körperlichen Beeinträchtigung zu spielen?

Tom Kankowski: Das ist für mich kein Problem, daran denke ich gar nicht mehr, wenn ich auf den Platz gehe. Seit ich 14 bin, spiele ich mit einer Unterarmprothese, die mir hilft, das Gleichgewicht besser zu halten und den Körper insgesamt besser zu koordinieren. Am Anfang war das eine Umstellung für mich, weil ich es nicht gewohnt war, dass ich plötzlich einen kompletten rechten Arm habe, aber dann habe ich zusätzlich viel Einzeltraining mit koordinativen Übungen gemacht. Seitdem klappt es richtig gut, wenn ich zum Beispiel zum Kopfball hochgehe, kann ich mit der Prothese mehr Schwung holen, so dass ich gar nicht das Gefühl eines Handicaps habe.

Fußball ist ein körperbetontes Spiel: Sind Zweikämpfe mit einer Armprothese dennoch anders beziehungsweise nutzen Gegenspieler vielleicht aus, dass du nicht zwei komplette Arme hast?

"Wenn mal ein doofer Spruch kommt, wie es im Fußball manchmal üblich ist, dann kann ich locker damit umgehen"

Kankowski: Viele kriegen das gar nicht mit. Ich habe nach dem Abpfiff schon mal einen Kommentar gehört wie: "Ich wusste gar nicht, dass du eine Prothese hast." Und meine Mitspieler sind eher neugierig und fragen mich, wofür ich die Prothese brauche und was dadurch für mich einfacher ist. Insgesamt überwiegen die positiven Reaktionen - und wenn mal ein doofer Spruch kommt, wie es im Fußball manchmal üblich ist, dann kann ich locker damit umgehen. Ich bin sehr offen, was das Thema angeht, und will es auch nicht größer machen, als es ist.

Du spielst bei Teutonia 05 Ottensen im zentralen Mittelfeld. Was bist du für ein Spielertyp?

Kankowski: Ich denke, dass ich im technischen und spieltaktischen Bereich meine Stärken habe. Ich hole mir gerne die Bälle und verteile sie. Da kommt auch schon mal ein Vergleich mit Toni Kroos, wenn auch natürlich auf einem ganz anderen Niveau. Mein Vorbild war aber immer Andrés Iniesta, das fand ich immer genial, wie er ein Spiel interpretiert hat.

Du hast in der Jugend mit dem Hamburger SV und dem FC St. Pauli in den höchsten Ligen gespielt, der Sprung in die Bundesliga ist dir dann aber nicht vergönnt gewesen. Wo wärst du ohne die Beeinträchtigung?

Kankowski: Das kann man schwer beurteilen. Wer kann schon sagen, ob ich zum Beispiel ohne das Handicap noch höher als in der Regionalliga spielen würde? Ich bin mit dem Weg, den ich bisher eingeschlagen habe, sehr zufrieden, und spiele jetzt zu ersten Mal in einer richtigen Herrenmannschaft. Das ist gut für meine Entwicklung als Fußballer, ich fühle mich in Ottensen sehr wohl. Von hier aus haben es einige Spieler in höhere Liegen geschafft, zum Beispiel Max Brandt, der jetzt beim SSV Ulm spielt, oder zuletzt Ole Wohlers nach Wehen Wiesbaden. Teutonia Ottensen ist also ein gutes Sprungbrett, ich gebe aber gerne zu: Ich will in den Profibereich, das bedeutet also, noch mindestens eine Klasse höher zu spielen.

Du hast auch schon DFB-Pokalerfahrung…

Kankowski: Ja, das Match in der ersten Runde gegen Darmstadt 98 war auf jeden Fall ein absolutes Highlight in meiner Karriere, auch wenn wir die Partie mit 1:3 verloren haben und ausgeschieden sind. Vor mehr als 6000 Zuschauern im Millerntorstadion auf St. Pauli aufzulaufen, war ein Erlebnis, das ich sicher nie mehr vergessen werde.

Machst du noch etwas außerhalb des Platzes, oder liegt der Fokus momentan komplett auf Fußball?

Kankowski: Aktuell konzentriere ich mich komplett auf den Fußball. Ich bin noch sehr jung und will mich weiter verbessern, dafür arbeite ich jeden Tag. Sollte es mit dem Profitraum nicht klappen, kann ich mir vorstellen zu studieren, aber erst einmal steht der Fußball im Vordergrund.