Tamina Gähler peilt das Double an
[Foto: Michael Gehrmann/Rot-Weiß Oberhausen]
Vor nicht einmal zwei Jahren hatte der ehemalige Bundesligist Rot-Weiß Oberhausen erstmals eine Frauen- und Mädchenabteilung ins Leben gerufen. Das Team um Cheftrainer Niklas Seeger belegt aktuell den dritten Platz in der Landesliga Gruppe 1 am Niederrhein, hat aber mit 57 Toren in elf Partien mehr als doppelt so viele Treffer erzielt wie Tabellenführer SV Siegfried Materborn (28). Der in der Vorsaison nur knapp verpasste Sprung in die Niederrheinliga soll möglichst in dieser Spielzeit nachgeholt werden.
Mit allein 30 Toren, also mehr als der Hälfte aller RWO-Treffer, hat Angreiferin Tamina Gähler einen erheblichen Anteil am sportlichen Erfolg der Kleeblätter. Die 20-Jährige, die im nächsten Jahr ihre Ausbildung zur Industriekauffrau abschließen wird, hat damit auch die Führung in der bundesweiten Wertung für die Torjägerkanone für alle in der 5. Liga übernommen und ihre ersten Verfolgerinnen (jeweils 18 Saisontore) deutlich distanziert.
"Gute Voraussetzungen"
Dass die RWO-Frauen in ihrem Gründungsjahr gleich in der Landesliga an den Start gehen durften, war der Auflösung der Frauenabteilung beim Stadtnachbarn SV Adler Osterfeld geschuldet. In der Frauen-Bezirksliga hatte Osterfeld, ebenfalls unter der Regie von Niklas Seeger, die Meisterschaft gewonnen und den zweiten Aufstieg nacheinander perfekt gemacht. Da der SV Adler jedoch zur Spielzeit 2023/2024 keine Frauenmannschaft mehr stellte, wechselte ein Großteil des Teams zum Traditionsklub Rot-Weiß Oberhausen, der den Startplatz von Adler Osterfeld in der Landesliga übernahm. Auch Trainer Niklas Seeger, der gebürtig aus dem nahen Bottrop kommt, ging den Weg zu RWO mit.
"Sollte ich am Saisonende tatsächlich immer noch ganz oben stehen, wäre das der absolute Wahnsinn"
Vor allem das Konzept, das Rot-Weiß Oberhausen dem Team vorlegte, überzeugte die Spielerinnen. Die Kleeblätter, deren erste Männermannschaft aktuell in der Regionalliga West an den Start geht und in der Spitzengruppe mitmischt, will den Frauenfußball nach vorne bringen und in den nächsten Jahren möglichst die 2. Frauen-Bundesliga erreichen.
"Das deckt sich mit meinen Zielen und auch mit den Vorstellungen meiner Mannschaftskolleginnen, mit denen ich schon lange zusammenspiele und mit denen ich auch privat gut befreundet bin", sagt Tamina Gähler, die für Adler Osterfeld in ihrer bislang erfolgreichsten Saison 50 Tore erzielt hatte und jetzt auf dem besten Weg ist, diese Bestmarke zu übertreffen.
Dass die RWO-Frauen in ihrer ersten Saison nicht auf Anhieb den Aufstieg in die Niederrheinliga geschafft hatten und Rhenania Bottrop den Vortritt lassen mussten, nahm auch Torjägerin Tamina Gähler sportlich. Im zweiten Anlauf soll das große Ziel jedoch erreicht werden. "Wir haben gute Voraussetzungen, um es diesmal zu schaffen", meint Gähler. "Die Mannschaft hat aus den Fehlern gelernt und ist jetzt noch besser eingespielt."
Vom Mittelfeld in den Angriff
Um die Chancen zu verbessern und Spitzenreiter SV Siegfried Materborn mindestens auf den Fersen zu bleiben, soll am Sonntag (ab 13.30 Uhr) im Spitzenspiel gegen den Tabellenzweiten SV Budberg möglichst der neunte Dreier im zwölften Saisonspiel her. "Wir haben uns in dieser Spielzeit bereits einige Ausrutscher erlaubt", erklärt Tamina Gähler. "Mit einem Sieg gegen den direkten Konkurrenten aus Budberg würden wir uns aber mindestens um einen Platz verbessern", rechnet die Torjägerin vor.
Dass es in dieser Spielzeit so gut für die Angreiferin läuft, überrascht sie selbst ein wenig. "Ohne meine Teamkolleginnen wäre ich niemals so erfolgreich", betont die 20-Jährige, die früher im Nachwuchsbereich bei der SGS Essen und beim MSV Duisburg ausgebildet wurde und dabei auch in der B-Juniorinnen-Bundesliga am Ball war. "Sie bedienen mich super und kennen meine Laufwege."
Ein weiterer Grund für ihre beeindruckende Torquote sei auch einer taktischen Umstellung geschuldet. "Ich wurde in der vorherigen Saison im offensiven Mittelfeld aufgestellt, wollte aber lieber im Sturmzentrum spielen und habe das unserem Trainer auch so gesagt", berichtet Tamina Gähler. "Ich bin glücklich darüber, weil ich jetzt deutlich kürzere Wege bis ich zum Torabschluss habe."
Wenn sie auf ihre Ziele angesprochen wird, dann sprudelt es aus der Angreiferin heraus, die bereits vor Jahren erste Anfragen von höherklassigen Vereinen abgeblockt hatte. "Ich will mit Rot-Weiß Oberhausen aufsteigen und mich mittelfristig mit den Traditionsvereinen Borussia Dortmund und FC Schalke 04 messen, die beide aktuell noch in der Westfalenliga spielen", kündigt Tamina Gähler zuversichtlich an. Das wäre allerdings frühestens in der Frauen-Regionalliga West möglich, also zwei Spielklassen höher.
Einen ersten Vorgeschmack bekamen die RWO-Frauen in den Testspielen gegen Borussia Dortmund (3:10) und gegen den Nord-Regionalligisten Hannover 96 (0:4), die beide jeweils im großen Stadion Niederrhein ausgetragen wurden. "Bereits als kleines Mädchen war ich RWO-Fan, habe mir die Spiele im Stadion angeschaut", verrät Tamina Gähler. "Jetzt selbst das RWO-Trikot zu tragen, gibt mir einen besonderen Push."
Vorbild Bellingham
Das lässt sich bei ihrer Torquote leicht ablesen. Im Schnitt trifft Tamina Gähler fast dreimal pro Partie, so dass der Gewinn der Torjägerkanone für alle inzwischen durchaus realistisch erscheint. "Sollte ich am Saisonende tatsächlich immer noch ganz oben stehen, wäre das der absolute Wahnsinn", beschreibt Tamina Gähler, die den englischen Superstar Jude Bellingham von Champions-League-Sieger Real Madrid als Vorbild nennt. "Für mich wäre es eine große Auszeichnung und Belohnung für die ganzen Entbehrungen, die man für den Fußballsport auf sich nimmt."
Um weiter im Flow zu bleiben, hört Tamina Gähler auf der Fahrt zu den Spielen gerne Musik. Ihre persönlichen Ziele sind klar formuliert: "Ich möchte weiterhin selbst gefährliche Situationen einleiten und möglichst meine Trefferquote halten." Die Chancen auf das begehrte Double aus Aufstieg und Torjägerkanone dürften dann ausgezeichnet stehen.