Gemischt spielen|16.12.2024|12:00

Sophie Himmes: "Mehrwert" für die Männer

Sophie Himmes spielt am liebsten im Tor (wie hier im Dress der Fidei-Frauen). Zuletzt half sie bei den Wintricher Herren aber im Feld aus – und ist parallel auch noch als Schiedsrichterin unterwegs.[Foto: Privat]

Als Frau in einem Männerteam spielen? Lange Zeit schien das unmöglich – bis 2022. Die Grundlage für das "Gemischte Spielen" ist ein Pilotprojekt, das der DFB-Vorstand ins Leben gerufen hat. In einem Zeitraum von 48 Monaten soll das Spielen von gemischten Mannschaften in der untersten Spielklasse getestet werden. Immer mehr Verbände nehmen am Projekt teil. Über ihre ersten Erfahrungen beim C-Ligisten SV Wintrich aus dem Fußballverband Rheinland berichtet Sophie Himmes.

Der letzte Auftritt vor der Winterpause hatte es für die Fußballer des SV Wintrich in sich – und auch für eine Fußballerin: Gerade mal acht Akteure bekamen sie für die Partie in der Mosel-Kreisliga C21 gegen den SV Hetzerath II zusammen. Eine erneute Verlegung war nicht so ohne weiteres möglich. Einfach absagen und eine Geldstrafe in Kauf nehmen wollten sie nicht.

Als auch noch Sophie Himmes kurz vor der Pause verletzt raus musste, ging es sogar nur zu siebt weiter. 0:12 unterlagen die Wintricher am Ende, präsentierten sich aber trotz der klaren numerischen und sportlichen Unterlegenheit als fairer Verlierer und konnten sich sogar als der heimliche Sieger fühlen. "Mein Sprunggelenk ist überdehnt. Schade, dass ich nur rund 35 Minuten mitwirken konnte", berichtet Himmes. Augenzwinkernd fügt sie an: "Immerhin ist das der perfekte Zeitpunkt für eine Verletzung, weil wir ja erst wieder im März spielen." Es war ihr dritter Einsatz in der Wintricher Mannschaft.

Himmes ergriff die Initiative

"Sie ist ein vollwertiges Mitglied unserer Mannschaft, ja sogar ein Mehrwert".

Anderen Landesverbände wie beispielsweise Bayern, Hessen und jene in Baden-Württemberg haben es vorgemacht. Dass Frauen seit Saisonbeginn auch im Fußballverband Rheinland (FVR) bei den Herren mitspielen dürfen, ist auch auf die Initiative der 21-jährigen zurückzuführen.

Als sie die Lust, wieder in einer Mannschaft Fußball zu spielen, packte, stellten sich Himmes zwei Optionen: "Entweder, ich gehe wieder zu den Frauen des SV Niederemmel oder ich versuche es bei den Herren des SV Wintrich." Da ihr Ex-Klub aber "viel zu viele Spielerinnen" habe, entschied sie sich für die andere Variante.

Himmes erkundigte sich bei Jan Schmitgen, dem Wintricher Spielertrainer, ob sie in dessen Mannschaft mitwirken dürfe. "Er sagte, dass er das mit der Mannschaft besprechen müsse – und die sprach sich dafür aus", erinnert sich Himmes ans vergangene Frühjahr. Die Teamkollegen seien fast alles Spieler, die sie vorher schon kannte: "Wir wohnen nicht weit voneinander entfernt, sind Mitglieder derselben Feuerwehr oder waren in derselben Schule. Die Jungs waren von Anfang an sehr offen."

Parallel mailte sie den FVR an und fragte, ob er sich anderen Landesverbänden wie etwa Bayern oder Hessen anschließen und an einem Pilotprojekt des DFB teilnehmen könne. Irgendwann kam der Stein ins Rollen, und die in Koblenz ansässige Verbandszentrale meldete, dass sich der Spielausschuss mit dem Thema befassen werde. Kurz vor Saisonbeginn gab es Grünes Licht, der FVR hatte zudem seine Durchführungsbestimmungen geändert.

Pilotprojekt wird ausgeweitet

"Wir ergänzen die Flexibilisierung des Spielbetriebs um einen weiteren Baustein", sagt Jens Bachmann, Vorsitzender des Verbandsspielausschusses – und ergänzt: "Gerade in Regionen unseres Verbandes, in denen die Vereine Mühe haben, Frauen-, aber auch Herrenmannschaften am Leben zu erhalten, kann die Möglichkeit des Einsatzes von Frauen bei den Herren als unterstützende Maßnahme gesehen werden."

Ähnlich beurteilt auch Oliver Schenk, Vorsitzender des FVR-Ausschusses für Frauen und Mädchen, das neue Angebot: "Aus Sicht unseres Ausschusses ist dies ein logischer Schritt für den Amateurbereich. In Regionen, in denen sich keine Frauenmannschaften etablieren und oder Herrenmannschaften mit Personalmangel zu kämpfen haben, ist das gemeinsame Spielen eine einfache und zukunftsorientierte Lösung."

Das Pilotprojekt wurde im FVR inzwischen sogar ausgeweitet: Nun können auch A-Juniorinnen bei den männlichen Pendants mitspielen. Die aus der SpVgg Mülheim-Brauneberg hervorgegangene Moselanerin Himmes spielt am liebsten im Tor und stand bereits für die 1. FFG Homburg und den TuS Issel in der Juniorinnen-Regionalliga zwischen den Pfosten. Später wechselte sie zur SG Fidei, konzentrierte sich dann auf ihr Engagement als Schiedsrichterin. Seit rund fünf Jahren ist sie als Unparteiische im Einsatz, pfeift hinauf bis zur Frauen-Bezirksliga und zur Herren-B-Klasse.

Ein Mehrwert fürs Team

Im Team des SV Wintrich agierte sie zuletzt als linke Außenverteidigerin – die Konkurrenz im Tor ist sehr groß. "Die Intensität ist eine andere als im Frauenfußball. Aber man gewöhnt sich daran. Insgesamt ist die Körperlichkeit eine ganz andere. Wir Frauen haben da schon Nachteile, auch im Hinblick auf die Kraft. Aber auch die Männer spielen nur Fußball und schießen mit demselben Ball auf dieselben Tore", lauten ihre Erfahrungen nach den ersten Partien in der C-Liga. Mehr Einsätze als die bisherigen drei seien berufsbedingt nicht möglich gewesen. Schließlich ist sie als Rettungssanitäterin immer wieder auch an Wochenenden aktiv.

Aus Sicht von Wintrichs Coach Schmitgen ist Himmes ein "vollwertiges Mitglied unserer Mannschaft, ja sogar ein Mehrwert". Sie ziehe sich mit dem Rest des Teams gemeinsam um, geduscht werde nacheinander, berichtet die frühere Torfrau der Saarlandauswahl.

Im FV Rheinland ist Himmes eine von fünf Spielerinnen, die seit Saisonbeginn bei den Herren zum Einsatz gekommen sind, und die Erste im Westen des Verbandsgebiets. Sie hofft, "dass die eine oder andere Frau das Angebot ebenfalls wahrnimmt. Durch die Teilnahme am Pilotprojekt haben mehr Frauen eine Möglichkeit, weiter Fußball zu spielen und Spaß zu haben."